In Deizisau und Altbach ist von einem enormen Vertrauensverlust die Rede: Der flächendeckende Glasfaserausbau des Anbieters GVG kommt nicht voran. Dabei hatte es reichlich Vorschusslorbeeren für das Unternehmen gegeben.
Anfang dieses Jahres sollten Deizisau und Altbach mit Glasfaser versorgt sein, lautete das Versprechen. Doch davon keine Spur: Der flächendeckende Glasfaserausbau, für den die Kieler GVG-Glasfaser-Gruppe zuständig ist, läuft in den beiden Nachbarkommunen nicht wie gewünscht. Der GVG-Gebietsleiter für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, Alexander Kneesch, informierte kürzlich in beiden Gemeinderäten über den Stand der Dinge.
„Wir sind mit viel Vorfreude und Rückenwind in das Projekt gestartet“, sagte der Deizisauer Bürgermeister Thomas Matrohs. Doch während des Ausbaus häuften sich Mängel. Bereits das erste Tiefbauunternehmen habe nicht die gewünschten Ergebnisse geliefert, danach sei es nicht besser geworden, so Matrohs. Zu sehen ist von den Mängeln, die von anderen Tiefbauunternehmen beseitigt wurden, inzwischen zwar kaum noch etwas, wie Matrohs erklärte. Was aber bleibe, sei ein enormer Vertrauensverlust, befand der CDU-Gemeinderat Volker Berner. Zudem hätten einige Kunden Rechnungen von der GVG bekommen, ohne dass eine Leistung vorliege.
Den Frust über die Rechnungen zur Planungspauschale könne er nachvollziehen, sie seien bis auf Weiteres zurückgestellt, versicherte Kneesch in Deizisau. Wichtig sei, dass das Unternehmen noch immer am eigenwirtschaftlichen Ausbau in den beiden Kommunen festhalte. Die Backbone-Anbindung sei bereits aktiv. „Wenn es weitergeht, wären wir schnell in der Lage, Kunden anzuschließen“, sagte Kneesch. Er sei sich der Fehler der Vergangenheit bewusst.
„Ich bin sprachlos – und zwar vor Enttäuschung“, sagte Gerhard Knospe (FWG). Vor ein paar Jahren habe der Gemeinderat die GVG mit reichlich Vorschusslorbeeren bedacht, Verwaltung und Gemeinderäte hätten im Ort viel Werbung gemacht. Und jetzt stehe man mit null Prozent der angepeilten Anschlüsse da. „Mein Resümee ist: viele Worte, wenig Substanz“, folgerte Knospe.
„Ich hätte erwartet, dass zumindest ein Zeithorizont präsentiert wird“, sagte Maik Vosseler (FSL). Die Räte müssten der GVG nun in irgendeiner Weise vertrauen, auch wenn es keine Klarheit darüber gebe, wann es weitergehe. „Wie soll ich jetzt einem Bürger begegnen, wenn ich keine Informationen habe?“, fragte er. Der Bedarf für schnelles Internet sei in Deizisau nach wie vor vorhanden, erklärte Matrohs. Es sei nun die Frage, wie es konkret weitergeht. „Bis Ende des Jahres hat die GVG Zeit, einen Plan vorzubringen“, sagte Chrysiida Angelopoulou, Projektmanagerin bei der Gigabit Region Stuttgart. Es bestehe zwar die Möglichkeit, den Partner zu wechseln, allerdings würde dies eine weitere Verzögerung von etwa zwölf bis 18 Monaten bedeuten, erklärte sie.
140 Mitarbeiter entlassen
Im Altbacher Gemeinderat sagte Alexander Kneesch, dass die vergangenen Monate schwer für die Branche gewesen seien, unter anderem wegen gestiegener Zinsen und hoher Tiefbaukosten. Auch die GVG habe 140 Mitarbeiter entlassen. „Wir mussten einen Neustart vollziehen“, berichtete er. Seit August sei aber klar, dass die Firma am Markt bleiben werde. Gläubiger hätten 165 Millionen Euro zugeschossen. „Wir haben jetzt wieder Kapital“, sagte Kneesch. Wie viel der 165 Millionen Euro nach Altbach und Deizisau fließen, ist zwar noch ungewiss. Fest steht aber laut Kneesch, dass die GVG das Projekt weiterverfolgt.
Derzeit suche man nach einem neuen Unternehmen, das die Leitungen verlege. Wann es mit den Bauarbeiten weitergeht, sei momentan aber ungewiss. Er hoffe, sagte Kneesch, dass die GVG noch in diesem Jahr einen Zeitplan präsentieren könne. Wird in den kommenden Monaten ein Vertrag mit einem neuen Generalunternehmer geschlossen, könnten die Bauarbeiten im kommenden Frühjahr wieder aufgenommen werden. Vor allem für die Kunden, die bereits Verträge unterschrieben haben, wäre diese Perspektive wichtig. Denn erste Kunden sprängen aufgrund der Ungewissheiten bereits wieder ab, bedauerte Kneesch. „Ich kann es verstehen, dass die Geduld irgendwann zu Ende ist“, gab er aber zu.
Bereits im vergangenen Dezember hatte sich die GVG von dem beauftragten Tiefbauunternehmen getrennt. Bis dahin hatte es viele Klagen über unnötig lange Baustelleneinrichtungen und Gehwegoberflächen mit Stolperfallen gegeben. Die Trennung wirke bis heute nach: Laut Kneesch hat das Tiefbauunternehmen die Dokumentation über die bereits verlegten Glasfaserleitungen bislang nicht herausgegeben. Der neue Tiefbauer muss also womöglich erst einmal überprüfen, wo genau bereits Leitungen verlegt sind. Aber wahrscheinlich sei dies möglich, ohne die Gehwege und Straßen abermals aufzureißen.
Auch im Altbacher Gemeinderat zeugten die Wortbeiträge nach Kneetschs Vortrag von Wut, Resignation und Hilflosigkeit. „Es ist ein Trauerspiel“, sagte der SPD-Gemeinderat Wilfried Schieche. Ändern könne man daran wohl nichts. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Barth resümierte nach Kneeschs Bericht: „Wir wissen nicht, wie es weitergeht.“ Der CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Euchenhofer sagte: „Ich verliere den Glauben. Es geht seit zwei Jahren.“
Ausbau des Glasfasernetzes
Verzögerungen: Der Kreis Esslingen verfehlt nach Aussagen von Chrysiida Angelopoulou, der Projektmanagerin bei der Gigabit Region Stuttgart, das Ziel, bis zum kommenden Jahr 50 Prozent des Landkreises mit Glasfaseranbindungen zu versorgen.
Baustart: Auch wenn der Anbieter GVG momentan noch keinen konkreten Zeitplan vorgelegt hat, geht die Gigabit Region Stuttgart davon aus, dass der Glasfaser-Ausbau in Deizisau und Altbach aufgrund des Winters frühestens im Frühjahr 2025 weitergehen wird.
Rückblick: Die GVG Glasfaser war Anfang 2022 an die Gemeinden Altbach und Deizisau herangetreten und hatte mit dem für die Kommunen kostenlosen Ausbau des Glasfasernetzes geworben. Bis Anfang 2024 sollten die Kunden an das Netz angeschlossen werden. (tki/bra)