Ein Förderprogramm des Bundes eröffnet Esslingen die Möglichkeit, grüne Farbtupfer in der Innenstadt zu setzen und so rascher auf den Klimawandel zu reagieren.
Der Klimawandel zeigt auch hierzulande Wirkung. Die Sommer werden heißer – in Tallagen wie in Esslingen werden die hohen Temperaturen für viele Menschen zunehmend zum Problem. Die Stadt Esslingen strebt bis zum Jahr 2040 Klimaneutralität an, doch die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen bleiben spürbar. Für den Chef des Grünflächenamts, Matthias Scheider, ist klar: „Es wird heißer, es wird trockener, es wird belastender, Starkregenereignisse nehmen zu.“ Scheider und sein Team wollen gezielt gegensteuern: In den nächsten drei Jahren sollen 200 neue Bäume gepflanzt werden, sie erhoffen sich positive Einflüsse auf das Innenstadtklima.
Experten sagen bis zum Jahr 2050 für den Kreis Esslingen eine Zunahme der mittleren Lufttemperatur von 1,3 Grad voraus. Die Zahl der Hitzetage, an denen die Tageshöchsttemperatur 30 Grad erreicht oder übersteigt, wird weiter zunehmen. Scheiders Diagnose: „Wegen der lokalen Topografie, des hohen Versiegelungsgrades der Innenstadt und der mangelnden Durchlüftung ist eine Verstärkung des bereits merklichen urbanen Hitzeinseleffekts in den Esslinger Tallagen zu erwarten. Damit einher gehen zunehmende gesundheitliche Hitzefolgen für die dort lebenden und arbeitenden Menschen. Risikogruppen wie sehr junge oder betagte Menschen, chronisch kranke, hilfsbedürftige oder schwer körperlich arbeitende Personen sind für diese gesundheitlichen Folgen besonders anfällig.“
Grünflächen können die Situation entschärfen, doch die sind in der Esslinger Innenstadt deutlich rarer als in vielen anderen Städten. Um Hitzeinseln entgegenzuwirken, hat die Stadt eine Reihe von Werkzeugen zur Hand: Entsiegelungen können das Aufheizen von Flächen verringern und helfen, Regenwasser länger zu halten. Der Ausbau beschatteter Sitzgelegenheiten bringt Aufenthaltsqualität. Die Anlage artenreicher Blühwiesen auf entsiegelten Flächen erhöht die Biodiversität. Vor allem können Baumpflanzungen Schatten spenden, die kühlende Verdunstung sowie die CO2-Speicherung in der Biomasse erhöhen.
Entsiegelung und Begrünung
Rückenwind auf diesem Weg erhält die Stadt durch Fördergelder aus dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner und ländlicher Räume an den Klimawandel“, mit dem kommunale Projekte mit hoher Wirksamkeit für Klimaschutz und Klimaanpassung unterstützt werden. Das Grünflächenamt hat im September 2023 eine Projektskizze zur Klimafolgenanpassung in den Tallagen vorgelegt. Schwerpunkte sind die Entsiegelung und die Begrünung im öffentlichen Raum. Der Bund hat für Esslingen ein Gesamtvolumen von drei Millionen Euro bis 2028 abgesegnet und übernimmt davon 2,25 Millionen Euro. Der warme Regen aus dem Bundessäckel fließt, sofern sich die Stadt bis Ende 2028 daran mit 750 000 Euro beteiligt.
Dank der Förderung können in den nächsten drei Jahren 200 neue Bäume in den Esslinger Tallagen gepflanzt werden – pro Baum werden rund 15 000 Euro fällig. Noch herausfordernder als die Finanzierung ist die Suche nach geeigneten Baumstandorten in einer dicht besiedelten und stark versiegelten Innenstadt. An manchen Stellen müssen Parkplätze entlang von Straßen durch Baumbeete ersetzt werden, was bei Anwohnern nicht nur Freude auslöst, weil die Parkmöglichkeiten in der Innenstadt ohnehin begrenzt sind.
Das Grünflächenamt hat sich nach städtischen Flächen umgeschaut, die Möglichkeiten zur Entsiegelung und Begrünung bieten. Was als geeignet identifiziert wurde, muss dann jeweils mit Tiefbauamt, Ordnungsamt, Feuerwehr und der Stabsstelle Mobilität abgestimmt werden, um spätere Konflikte so weit wie möglich auszuschließen. Manchmal müssen Matthias Scheider und sein Team kreative Lösungen suchen und aus der Platznot eine Tugend machen – wie in der Augustinerstraße, wo das Grünflächenamt vor einer Garagenfront auf kleinstem Raum Bäume so gepflanzt hat, dass die Zufahrt zu den Garagen weiter möglich bleibt.
Im Ausschuss für Bauen, Mobilität und Klimaschutz fanden die Pläne des Grünflächenamts einmütige Zustimmung. Herbert Schrade (CDU) sieht den städtischen Obolus und die Bundeszuschüsse mit Blick auf die Zukunft gut angelegt. Für Andreas Fritz (Grüne) zählen Projekte wie dieses zu den „wichtigsten Zukunftsinvestitionen“. Daniel Scharpf (SPD) sieht die Stadt mit solchen Konzepten auf dem richtigen Weg. Rena Farquhar (FDP/Volt) empfahl mit Blick auf die nötigen Feuerwehrzufahrten, frühzeitig das Wachstumspotenzial der jeweiligen Bäume in die Überlegungen einzubeziehen.
Martin Auerbach (Linke/FÜR) begrüßt das Projekt, hätte es aber effizienter gefunden, Freiflächen wie das frühere ZOB-Gelände oder das Karstadt-Areal zu begrünen, anstatt sie zuzubauen. Andreas Klöpfer (WIR/Sportplätze erhalten) findet die Devise „Mehr Grün, weniger Grau“ für die Tallagen richtig. Für Jürgen Häußler (AfD) ist es „städtebaulich zu begrüßen, dass die Stadt diesen Weg geht“. Mit Blick auf wegfallende Parkplätze sieht er allerdings Konfliktpotenzial.
Esslinger Klimaziele
Perspektiven: Bis zum Jahr 2040 möchte die Stadt Esslingen Klimaneutralität erreichen. Den Weg dorthin weist ein kommunales Klimaschutzkonzept. Eine erste Fassung hatte die Stadt im Jahr 2010 verabschiedet: Die Treibhausgas-Emissionen sollten (ab 2007) um 25 Prozent gesenkt werden, letztlich gingen die Emissionen bis zum Jahr 2020 um 32 Prozent zurück, heißt es auf der städtischen Internetseite.
Maßnahmen: 37 Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung werden genannt. Treibhausgas-Emissionen sollen so weit wie möglich vermieden werden, zugleich sollen die Auswirkungen des Klimawandels abgemildert werden. Geplant sind unter anderem der Ausbau der Nah- und Fernwärmeversorgung, die Sanierung städtischer Gebäude sowie nachhaltiges Bauen, die Reduzierung des Stromverbrauchs und der Ausbau erneuerbarer Energien, die verstärkte Nutzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel, die Hitzevorsorge und die Anpassung der Naturräume an Trockenheit und Hitze. (adi)