Esslingen

Betreuungszeiten werden reduziert

Esslingen möchte die Öffnungszeiten ihrer Kitas auf 45 Stunden in der Woche begrenzen. Das könnte das Angebot für Familien verlässlicher machen. Durch freie Kapazitäten sollen mehr Dreijährige von frühkindlicher Bildung profitieren.

Frühere Abholzeiten, ungeplante Schließtage oder Notbetreuung – der Fachkräftemangel führt dazu, dass vielerorts Kita-Träger ein verlässliches Angebot nicht mehr aufrechterhalten können. Laut Länderreport „Frühkindliche Bildungssysteme 2023“ der Bertelsmann-Stiftung fehlen in Baden-Württemberg 59 400 Kita-Plätze und bis 2025 insgesamt 14 800 Erzieherinnen und Erzieher. Auch im Kreis Esslingen stellt das Eltern, vor allem wenn sie berufstätig sind, immer wieder vor große Herausforderungen.
Die Stadt Esslingen reagiert nun und schlägt vor, von September an die Öffnungszeiten auf maximal 45 Stunden wöchentlich zu begrenzen, bislang sind es 50 Stunden. Wie das Kontingent verteilt wird, können die Kitas flexibel regeln. Für Kinder, die bereits eine Kita besuchen, soll es eine Übergangsfrist geben, die Regelung würde dann erst ab dem 1. Januar 2025 in Kraft treten. Zusammen mit weiteren Maßnahmen sollen damit Personalkapazitäten frei werden, Fachkräfte neu gewonnen oder gehalten werden und die Eltern ein verlässliches Angebot bekommen. Der Ausschuss für Bildung, Erziehung und Betreuung hat dem Vorschlag kürzlich mehrheitlich zugestimmt. Am 13. Mai wird der Gemeinderat sein endgültiges Votum abgeben. Die Änderung soll für städtische Kitas und Einrichtungen freier Träger gelten, deren Plätze die Stadt vergibt.
„Die Dienstplangestaltung in den Kitas wird durch kürzere und wegfallende Randzeiten einfacher“, heißt es in der Sitzungsvorlage der Verwaltung, und „eine Tätigkeit im Ganztagsbetrieb wird bei kürzeren Öffnungszeiten für das Personal attraktiver“. Da zudem sehr viele Kommunen im Umkreis ihre Zeiten reduzieren, könnte das zu einem größeren Stellenpotenzial auf dem Arbeitsmarkt führen, erläuterte Bernd Berroth, der Leiter des Amts für Bildung, Erziehung und Betreuung: „Es gibt eine interkommunale Übereinstimmung, da wollen wir solidarisch sein.“ Der Effekt werde aber erst nach und nach im Rahmen der üblichen Fluktuation wirksam.
Konkret geht die Stadt davon aus, dass mittelfristig durch die reduzierten Zeiten zehn städtische Stellen und weitere 14 bei den freien Trägern verfügbar werden. „Wir müssen dennoch so ehrlich sein, dass wir keine absolute Verlässlichkeit versprechen können“, betonte Berroth. Viele Familien hätten aber überhaupt keinen Platz und ihre Kinder damit auch keinen Zugang zu frühkindlicher Bildung. Das müsse sich dringend ändern. Esslingen habe das Ziel, für jeden Dreijährigen einen Betreuungsplatz anzubieten. Bei der Schaffung neuer Plätze habe der Ü-3-Bereich Vorrang gegenüber U 3.

Gesamtelternbeirat sieht Pläne skeptisch
Die Ratsfraktionen begrüßten mehrheitlich den Vorschlag, betonten aber auch, dass damit keine Reduzierung des Personalschlüssels einhergehen dürfe. „Es ist eine Maßnahme der Solidarität gegenüber denjenigen, die keinen Platz haben“, hob Christa Müller (SPD) hervor. „Die Situation ist bitter für Eltern, die eine lange Betreuung brauchen“, sagte Tobias Hardt (Linke), „aber wir können uns keine Erzieherinnen schnitzen“.
Der Esslinger Gesamtelternbeirat Kita sieht die Pläne dagegen skeptisch. Er hätte sich einen ergebnisoffenen Austausch mit allen Akteuren gewünscht. Dem GEB erschließe sich derzeit nicht, wie sich Qualität, Personalplanung und Verlässlichkeit durch die generelle Reduzierung der Betreuungszeit verbessern sollen, sagte Romina Barth, beratendes Mitglied im Ausschuss. Denn in einem Großteil der Kitas sei die Betreuung schon jetzt notgedrungen auf täglich neun Stunden reduziert.
Kritik gab es auch von der FDP, die gegen den Vorschlag stimmte. „Uns fehlt eine Evaluation“, sagte Brigitte Häfele. Dem widersprach Bernd Berroth: „Um minutiös zu evaluieren, bräuchten wir noch mehr Personal.“
2019 hat die Stadt eine Personaloffensive gestartet, die pädagogischen Fachkräften bessere Rahmenbedingungen garantiert, etwa mehr Freistellungen. Auch die Zahl der Ausbildungsplätze ist deutlich erhöht worden. Die Verwaltung listet jetzt einen Mix aus zehn lang- und kurzfristigen Maßnahmen auf, die die Reduzierung der Öffnungszeiten flankieren. Das meiste davon ist nicht neu. Gestärkt werden sollen etwa Angebote mit verlängerten Öffnungszeiten statt Ganztag, wodurch mehr Plätze zulässig sind. Auch die Qualifizierung von Quereinsteigern soll ausgebaut werden.

Es gibt weiterhin Wartelisten
Kinder unter drei Jahre: 
Auch im kommenden Kitajahr 2024/2025 gibt es zu wenig Betreuungsplätze in Esslingen. Bis zum 15. Februar mussten Eltern ihren Bedarf anmelden. Im U-3-Bereich sind zwar mehr Plätze frei geworden, und die Zahl der Anmeldungen ist im Vergleich zum Vorjahr auch noch gesunken. Trotzdem fehlen 214 Plätze, davon 154 im Ganztag, noch nicht eröffnete Gruppen sind bereits eingerechnet. Die Stadt plant deshalb einen weiteren Ausbau der Tagespflege in anderen geeigneten Räumlichkeiten.
Kinder über drei Jahre: Im Ü-3-Bereich stehen mehr Plätze zur Verfügung, gleichzeitig sind laut Stadt die Anmeldungen stark gestiegen. Die Gesamtzahl der nicht versorgten Kinder ist im Vergleich zum Vorjahr gewachsen, die Plätze sind auch mit der Eröffnung der geplanten Einrichtungen nicht ausreichend. 97 Kinder stehen auf der Warteliste, davon 65 im Ganztag. (pep)

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