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Esslingen

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In Esslingen wird die Geschwindigkeit auf weiteren Streckenabschnitten reduziert. Die finanziellen Auswirkungen sind erheblich. Von einer flächendeckenden Regelung ist man weit entfernt.

Wer an stark befahrenen Straßen wohnt, kann ein Lied davon singen, was Verkehrslärm bedeutet. 2021 hat der Esslinger Gemeinderat die dritte Stufe der Lärm­aktionsplanung abgesegnet und die Verwaltung beauftragt, konkrete Maßnahmen zu prüfen. Nun hat der Mobilitätsausschuss weitere Tempo-30-Strecken beschlossen. Angesichts der ermittelten Lärmbelastung an diesen Strecken blieb der Stadt keine andere Wahl, auch wenn dafür erhebliche Mehrkosten im Busverkehr anfallen. Noch ist unklar, wer dafür aufkommt. Dass die Tempo-30-Karte in Esslingen weiter einem Flickenteppich gleicht, weil die Hürden für flächendeckende Tempolimits noch immer hoch sind, wurde im Ausschuss mit bissigen Bemerkungen quittiert.
Die EU-Umgebungslärmrichtlinie verpflichtet Kommunen zur Aufstellung eines Lärmaktionsplans. Ausgehend von Lärmberechnungen werden besonders belastete Bereiche ermittelt und Lärmschutz-Maßnahmen verpflichtend festgelegt. Auf folgenden Straßen wird vom Frühjahr 2024 Tempo 30 gelten: in der Neckarstraße zwischen der L 1150 und der Plochinger Straße, in der gesamten Krummen­ackerstraße, der Maienwalterstraße sowie in der Sulzgrieser Straße bis zur Sulzgrieser Ortsmitte, in der Ruiter Straße zwischen Gebäude 41 und Brunnenstraße sowie in der Mülbergerstraße zwischen Grabbrunnenstraße und Wielandstraße.
Dagegen hat eine rechtliche Überprüfung der Stettener Straße zwischen dem Kreisverkehr Kirchackerstraße/Wäldenbronner Straße und der Einmündung Langer Weg gezeigt, dass die Gründe für die Tempobegrenzung nicht mehr vorliegen und dass diese noch im November aufgehoben werden muss. In der Eugenie-von-Soden-Straße wird zwischen Gebäude 10 und Schlachthausstraße auf Tempo 30 reduziert. Entscheidend war eine rechtliche Überprüfung nach Fertigstellung der dortigen Kindertagesstätte. Diese Temporeduzierung kommt zeitnah mit der Verlegung der Buswarteflächen zur gegenüberliegenden Fahrbahnseite an der Bahnstrecke.
Baubürgermeister Hans-Georg Sigel betonte, dass die Stadt mit Blick auf die ermittelten Belastungen zur Umsetzung der Lärmschutzmaßnahmen verpflichtet sei. Die nächste Stufe des Aktionsplans ist nur eine Frage der Zeit. Ordnungsamtschefin Brigitte Länge sagte, dass der Ausweisung von Tempo-30-Zonen ausführliche Prüfungen vorausgehen. Die Lärmwerte werden mit gesetzlichen Grenzwerten abgeglichen – bei Überschreitung müsse die Stadt handeln: „Unser Ermessensspielraum war auf null reduziert, da die jeweiligen Lärmpegel so hoch sind.“

Laufender Aufwand von rund einer Million Euro
Der finanzielle Aufwand ist erheblich: Zu den einmaligen Kosten von knapp 63 000 Euro für Beschilderung und Anpassung der Ampeln kommt ein laufender Aufwand von rund einer Million Euro im Jahr für zusätzliches Buspersonal und vier weitere Busse, die laut dem Städtischen Verkehrsbetrieb (SVE) benötigt werden, um Fahrzeitverlängerungen wegen der Tempobeschränkungen aufzufangen. Johannes Müller, der Technische Werkleiter des SVE, machte deutlich, dass die zusätzlichen Busse unerlässlich seien, um die fest getakteten Abfahrts- und Ankunftszeiten einzuhalten, damit ein reibungsloses Umsteigen möglich bleibt. Wer dafür aufkommen muss, ist noch nicht klar: Da die Stadt gesetzlichen Vorgaben folgen muss, wird es Verhandlungen mit dem Landkreis als Aufgabenträger des öffentlichen Nahverkehrs geben.
Andreas Fritz (Grüne) erklärte, dass Tempo-30-Regelungen dem Lärmschutz ebenso dienten wie der Schadstoffreduzierung und der Verkehrssicherheit. Mit Blick darauf, dass flächendeckendes Tempo 30 wegen der rechtlichen Voraussetzungen noch nicht realisierbar ist, hofft er: „Das wird sich schon noch einspielen.“ Heidi Bär (SPD) freut sich, „dass nun zumindest der Tempo-30-Flickenteppich in der Mülbergerstraße geschlossen wird“. Und sie nahm die Bundespolitik in die Pflicht, endlich die Voraussetzungen für flächendeckendes Tempo 30 anzugehen. Für Thomas Heubach (Freie Wähler) ist wichtig, dass damit weitere Lücken geschlossen würden. Die kalkulierten Mehrkosten findet er „enorm“. Allerdings erwartet er für die Stadt auch Mehreinnahmen durch Tempokontrollen in den neuen 30er-Zonen. Rena Farquhar (FDP) erwartet rasch Klarheit darüber, wer für die Mehrkosten aufkommen wird. Tim Hauser (CDU) findet Geschwindigkeitsbegrenzungen an manchen Stellen sinnvoll, an anderen jedoch nicht. Tobias Hardt (Linke) will genau hinschauen, wie sich die Busfahrzeiten entwickeln. Seine Hoffnung: „Bei Tempo 30 sollte es weniger Staus geben.“

Kommunen stärken den Lärmschutz
Lärmaktionsplan:
 Dieses fachübergreifende Planungsinstrument soll dafür sorgen, dass die Belange des Lärmschutzes bei allen in­frastrukturellen und umweltpolitischen Planungen so weit wie möglich berücksichtigt werden. Erklärtes Ziel ist, den Umgebungslärm zu reduzieren, wo die Geräuschbelastung bereits ein gesundheitsschädigendes Ausmaß erreicht hat. Andererseits sollen auch ruhigere Gebiete geschützt und erhalten werden.
Vorgehen: In einem zwei­stufigen Verfahren wird zunächst der Umgebungslärmpegel in Lärmkarten erfasst. Danach wird ein entsprechender Lärmaktionsplan zur Verminderung von Geräuschbelastungen erstellt. Dafür sind die Kommunen verantwortlich. Die Wahl geeigneter Lärmreduzierungsmaßnahmen ist von der Größe der Kommune und der vorhandenen Infrastruktur abhängig. Mögliche Ansätze sind meist eine Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs, die Anpassung von Geschwindigkeitsbegrenzungen sowie lärmmindernde Fahrbahnbeläge.
Wirkung: Da Lärm schon ab 60 Dezibel das Gehör beeinträchtigt, Stress und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen kann, erwartet das Deutsche Institut für Urbanistik positive Wirkungen auf Gesundheitsschutz und Lebensqualität, aber auch eine Aufwertung der Kommunen als Wohn- und Investitionsstandort. (adi)