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Nürtingen, Göppingen, Owen und Vaihingen an der Enz bewerben sich für das bundesweite Verzeichnis „Immaterielles Kulturerbe“

Die Städte Nürtingen, Göppingen, Owen und Vaihingen an der Enz bewerben sich mit ihren jeweiligen Maientagen gemeinsam für das bundesweite Verzeichnis des „Immateriellen Kulturerbes“ der UNESCO. Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich hatte eine entsprechende Initiative bereits bei seiner letzten Maientagsrede angekündigt: „Ich freue mich, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, um unsere jahrhundertealten Maientagstraditionen als immaterielles UNESCO-Kulturerbe zu verankern. Diese traditionellen Heimat- und Schulfeste, die in unseren Städten als „Nationalfeiertag“ begangen werden, sind weltweit einzigartig und gehören entsprechend gewürdigt!“ „Besonders an unseren Maientagen ist“, ergänzt Göppingens Oberbürgermeister Alex Maier, „dass sie bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben, indem sie Jahr für Jahr Sinnbild für Frieden, Hoffnung und Gemeinschaft sind.“ Oberbürgermeister Alex Maier aus Göppingen, Oberbürgermeister Dr. Johannes Fridrich aus Nürtingen, Owens Bürgermeisterin Verena Grötzinger sowie Oberbürgermeister Uwe Skrzypek aus Vaihingen an der Enz unterzeichnen daher nun gemeinsam die Bewerbung.


Nichts zu tun mit dem gleichnamigen Monat


Der Begriff „Maientag“ hat nichts mit dem gleichnamigen Monat zu tun, sondern leitet sich ab von den sogenannten „Maien“, grünen Zweigen oder Rutenbüscheln, die traditionell bei den Umzügen mitgeführt wurden. Maientage fanden üblicherweise im Frühjahr oder Sommer statt und bildeten einst den Abschluss von Schulvisitationen. Die Ursprünge reichen vermutlich bis ins 15. Jahrhundert zurück. Belegt sind diese Art der Feierlichkeiten ab dem 17. Jahrhundert.
In Nürtingen datiert die erste Nennung eines Maientagsfestes aus dem Jahr 1602. Die Umzüge hatten ursprünglich den Charakter von Schülerprozessionen zur Kirche oder zum Festplatz. Als Anerkennung für ihre Aufsicht erhielten die Lehrer oft eine Sonderzahlung, das sogenannte Maiengeld oder den Rutenpfennig. In verschiedenen Regionen wurden an den Maientagen spezielle lokale Traditionen gepflegt, wie die Wahl eines Maienkönigs, das Aufsagen von Maiensprüchen oder die Durchführung von Wettbewerben wie dem Maienlauf.
Die Maientage in Göppingen, Nürtingen, Owen und Vaihingen an der Enz sind traditionell ein Kinder- und Schulfest. Da sie sich im Laufe der Jahre jedoch zu Volksfesten entwickelt haben, ziehen sie heute auch viele Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Region an. So verfolgen in Göppingen und Vaihingen an der Enz bis zu 20 000 Menschen das bunte Treiben der Umzüge.
Die Ausgestaltung der Maientage ist vielfältig: In Owen findet der Maientag als eintägige Veranstaltung immer dienstags im traditionellen Rahmen statt. In den Mittelstädten Göppingen, Nürtingen und Vaihingen an der Enz hingegen erstreckt sich der Maientag über ein verlängertes Festwochenende mit einem umfangreichen Rahmenprogramm. Dieses beinhaltet einen Rummelplatz mit Schaustellerbetrieben und diverse Veranstaltungen, die bis zum spektakulären Feuerwerk reichen. Den „eigentlichen“ Maientag eröffnet in Göppingen und Nürtingen am Vorabend das schulische Maientagsansingen bzw. Maisingen.


Höhepunkt ist der Festumzug


In allen vier Städten wird der Maientag frühmorgens musikalisch von Turmbläsern oder dem Umzug der Stadtkapelle angekündigt und Gottesdienste abgehalten. Die Stadtoberhäupter eröffnen die Festlichkeiten mit ihren Ansprachen. In Nürtingen erfolgt dies nach der Brotübergabe durch die Landjugend, in Vaihingen an der Enz nach dem Trinken aus dem Löwenpokal. In Göppingen und Owen gehört dazu das gemeinsame Singen des Maientagsklassikers „Geh aus mein Herz, und suche Freud“. Der Höhepunkt in allen Städten ist der Festumzug, bei dem kostümierte Schulklassen und andere Gruppen von musikalischer Begleitung umrahmt werden und auf dem Weg zu den Festplätzen ziehen. Teilweise greifen die Umzüge die historischen Elemente der jeweiligen Stadt auf, insbesondere in Göppingen mit aufwändigen Darstellungen ab der Römerzeit.
Am Nachmittag verlagert sich das Geschehen auf die Festplätze. Dort messen sich die Kinder unter anderem in sportlichen Wettbewerben. Vaihingen an der Enz schließt den Kern-Maientag mit einer Abschlussfeier auf dem Marktplatz ab, nachdem die Teilnehmer gemeinsam in die Stadt zurückgekehrt sind, während der Nürtinger Maientag beim „After Work-Hock“ auf dem Festplatz ausklingt. Die Tradition, Schülerinnen und Schüler zu beschenken, wird bis heute in allen vier Städten beibehalten, wobei in Owen und Nürtingen Maientagsbrezeln verteilt werden.
Mit der gemeinsamen Bewerbung soll überregional Aufmerksamkeit auf einen bedeutenden Teil der Geschichte aller vier baden-württembergischen Städte gerichtet werden, denn mit der Tradition der Maientags-Feierlichkeiten wird seit Jahrhunderten der gesellschaftliche Zusammenhalt gefördert, Identität gestiftet und Menschen zusammengebracht.

Das immaterielle Kulturerbe umfasst laut UNESCO „Bräuche, Traditionen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten“, die von „Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls auch Einzelpersonen“ als integrale Teile ihres kulturellen Erbes betrachtet werden. Für eine Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis müssen Kriterien erfüllt werden, die das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes von 2003 festlegte: „Dazu gehören unter anderem eine nachweisbare Lebendigkeit sowie die kreative Weitergabe und Weiterentwicklung der Kulturform durch die Trägergemeinschaften.“ Das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes zeigt exemplarisch, welche lebendigen kulturellen Traditionen und Ausdrucksformen in Deutschland praktiziert und weitergegeben werden und beinhaltet derzeit 144 Einträge.