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Projekt Weltacker zeigt, wie viel Fläche nötig ist, um uns zu ernähren, zu kleiden und Energie zu erzeugen

Nicht jeder Mensch nutzt die gleiche Fläche, um sich zu ernähren, zu kleiden und seinen Energiebedarf zu decken. Wo viele tierische Produkte auf den Tisch kommen, wird mehr Fläche benötigt. Das Projekt Weltacker der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) möchte den Zusammenhang von Konsumverhalten und Flächenverbrauch verdeutlichen und zeigen, wie groß die Fläche ist, die im Durchschnitt weltweit pro Mensch zur Verfügung steht. Auf dem Hofgut Tachenhausen in Oberboihingen kann man beispielhaft diese Fläche besichtigen.
Ein Gefühl für das eigene Konsumverhalten vermitteln möchte die Professorin für Agrarökologie Maria Müller-Lindenlauf, die mit ihrem Team den Weltacker umgesetzt hat. Der Flächenverbrauch in Deutschland ist mit 4300 Quadratmetern pro Person deutlich größer, heißt es in der Projektbeschreibung, die folgert: „Wir nutzen also pro Kopf etwa doppelt so viel Fläche, wie uns im Durchschnitt zustünde.“
Berechnet wurde dies auf der Basis von acht Milliarden Menschen weltweit (Stand November 2022). Da sich die Weltbevölkerung laut HfWU etwa 1,5 Milliarden Hektar Ackerland teilt, stehen jedem Menschen rechnerisch 1850 Quadratmeter Ackerfläche zur Verfügung.
An diesem Abend steht Müller-Lindenlaufs wissenschaftliche Mitarbeiterin Hannah Weinläder auf dem Feld und erklärt, dass Getreide als wichtigster Kohlenhydratlieferant für die menschliche Ernährung den größten Flächenanteil auf dem Weltacker in Tachenhausen einnimmt.
Die drei wichtigsten Arten Weizen, Reis und Mais benötigen etwa 40 Prozent der Fläche, wobei Reis hier nicht angebaut wird. Etwa 91 Prozent der weltweiten Ernte stammt aus China, Indien und Südostasien, erklärt Weinläder. Die HfWU habe von 2017 an drei Jahre lang zwar Reis in Tachenhausen angebaut, aber trotz Bewässerung sei der Reis nicht reif geworden.
Von der globalen Getreideproduktion wird nur die Hälfte direkt für die menschliche Ernährung verwendet. Weitere 40 Prozent dienen als Viehfutter und etwa 10 Prozent werden für industrielle Nutzungen, vorwiegend als Biotreibstoffe, eingesetzt.
Konzipiert von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft werden in Tachenhausen maßstabsgetreu 40 Kulturen angebaut, die pro Erdenbewohner benötigt werden. Dazu gehören Getreide zum Brotbacken, der Kaffee, den wir zum Frühstück trinken, aber auch die Baumwolle für Kleidung und der Raps für Biodiesel oder technische Öle. Dauergrünland sowie Nahrung aus Jagd und Fischfang sind auf dem Weltacker allerdings nicht abgebildet.
Während die Besucher das Getreide, Gemüse und die Ölpflanzen begutachten und sich über die Probleme rund ums Gießen austauschen, reicht Weinläder Abbildungen herum. Eine Darstellung beeindruckt besonders, wonach für einen Liter Hafermilch 0,8 Quadratmeter Fläche gebraucht werden – für einen Liter Kuhmilch dagegen das Zehnfache.
Der Weltacker macht deutlich, dass die Einteilung dieser Fläche von den Verbrauchs- und Ernährungsgewohnheiten abhängt. „Mit jedem Einkauf erteilen wir Landwirten den Auftrag, ein Stück Acker zu bestellen. Was wir zu welchem Preis kaufen, bestimmt, wie der Acker bestellt wird“, steht in der Beschreibung. Und nicht nur der Mensch brauche diese Ackerfläche zum Leben, sondern auch eine Vielzahl weiterer Organismen. Wie die Flächen bewirtschaftet werden, bestimme, welche Arten dort leben können. Und auch der Bezug zur Artenvielfalt wird deutlich, denn mehr Ackerfläche bedeute weniger Wiesen, Wälder und andere Biotope – alles Flächen, die solche Arten, die nicht vorwiegend auf Ackerflächen vorkommen, zum Leben brauchen. In der Beschreibung zum Weltacker ist auch zu lesen, dass die Hälfte des Ackerfußabdrucks von Deutschland mit dem Konsum tierischer Produkte zusammenhängt, ein Viertel mit dem Konsum pflanzlicher Nahrungsmittel und das letzte Viertel mit Nichtnahrungsmitteln, die für Kleidung und Energie benötigt werden.
„Welche Fläche dürfen wir eigentlich verbrauchen, und wie müssten wir unser Ess- und Konsumverhalten ändern, damit die Flächen für alle ausreichen?“ Diese Fragen wurden auch während der Besichtigung immer wieder im Zwiegespräch diskutiert. Auch das Thema Klimawandel spielte an dem Abend eine Rolle. Und egal ob Dürre oder Überschwemmungen – die Wetterkapriolen setzten den Landwirten mächtig zu, sagte die Landwirtin.

com / Foto: Ines Rudel