Vom Brunnenplatz bis zu Verkehrsalternativen: Der Gemeinderat hat das groß angelegte Entwicklungskonzept für Reichenbach sehr positiv aufgenommen. Welches sind die Überlegungen mit Blick auf die Zukunft – und wie geht es nun konkret weiter?
Mehr als 130 Seiten Papier, allein für einen Tagesordnungspunkt – das hatten die Reichenbacher Ratsmitglieder jüngst auf dem Tisch. Und das Gemeindeentwicklungskonzept ist nicht nur umfangreich, sondern auch gehaltvoll. „Es sind viele gute Ideen drin, teilweise auch sehr gute“, sagte Alexander Hottenroth (FW) nach der Präsentation. Er sei gespannt, was tatsächlich umgesetzt wird. Viel Potenzial sahen auch die Vertreter der anderen Fraktionen; die Vorarbeiten hätten sich gelohnt, meinte Matthias Weigert (Grüne).
Das Konzept ist das Ergebnis eines breit angelegten Prozesses, bei dem die Gemeinde die Bürgerinnen und Bürger auf ganz verschiedene Weise eingebunden hat: eine Auftaktveranstaltung, eine digitale Beteiligungsplattform und eine Umfrage gehörten dazu. Für Jugendliche wurde ein separater Abend organisiert, Kinder konnten bei einem Malwettbewerb ihre Vision für Reichenbach skizzieren. Am Ende stehen nun fünf Handlungsfelder und viele Vorschläge – nicht in Stein gemeißelt, sondern als Denkanstöße, wie Jessica Auch von Baldauf Architekten und Stadtplaner, die den Prozess begleitet haben, betonte.
Da geht es darum, Quartiere, Gewerbeflächen und Verkehrsmittel zu entwickeln, die Reichenbacher Identität „am Wasser“ zu stärken, den Einzelhandel zu fördern oder sich auf den Klimawandel vorzubereiten. Die Planer haben dabei „Lupen“ auf einzelne Projekte gerichtet und diese schon etwas vertieft: So zeigen sie zwei Entwürfe fürs Starmixareal, das zum Wohnquartier werden soll. Sie machen Vorschläge für die Neugestaltung des Brunnenplatzes, wenn die Baustelle dort beendet ist, oder für die Neugestaltung der Ortsdurchfahrt Stuttgarter Straße. Das alles sind Ideen, die zwar schon lange im Raum stehen, aber im Rahmen des Konzepts ein Gesicht bekommen.
Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der Mobilität, bei der naturgemäß einiges in Bewegung ist. Fabian Gierl vom Projektentwickler Drees & Sommer sieht gute Chancen für eine weitere Zunahme des Radverkehrs, weil mit Elektro-Rädern auch die Hanglagen der Gemeinde zu erreichen sind. Einen eher kritischen Blick warf er auf den Ortsbus, auf dessen Taktung die Gemeinde eigentlich stolz ist. Das sei zwar ein tolles Angebot, es werde aber nicht gut genug angenommen, meinte Gierl, der an dieser Stelle einen „On-Demand-Shuttle“ für das bessere Modell hält – also eine Art modernes Ruftaxi, das zumindest in Randzeiten die großen Busse durch kleinere Fahrzeuge ersetzt. Für weniger digitalisierte Menschen hat dieses Modell jedoch Hürden, wie auch die meisten Carsharing-Systeme.
Sichere Rad- und Fußwege
Im Bereich des Park-and-Ride-Platzes jenseits des Bahnhofs könnten sich die Planer einen „Mobilitäts-Hub“ vorstellen mit Radstellplätzen, E-Ladesäulen oder auch Carsharing. Sichere Rad- und Fußwege sind ebenfalls Mobilitätsthemen. „Was wir hinbekommen müssen, ist die Entflechtung der Verkehre, sodass alle Verkehrsteilnehmer ihre Räume haben, wo sie sich sicher fühlen“, sagte Gierl. Dabei müsse man gerade bei Fuß- und Radwegen „auf jeden Meter achten“, was Rudi Munz (SPD) bestätigte: Teilweise habe man schlicht Angst, wenn man in Reichenbach mit dem Rad fahre.
Das Auto und ausreichend Parkplätze werden von den Fachplanern aber keineswegs verteufelt. Man dürfe „nicht das Ruder komplett herumreißen“, sondern müsse alternative Wege und deren Vorteile aufzeigen, betonte Gierl.
Sabine Fohler (SPD) stellte fest, dass die Gemeinde sich bei vielen der angesprochenen Themen schon auf den Weg gemacht habe. Für Thorsten Höger (FW) war wichtig, dass man die Leitsätze und Ziele des Konzeptes im Blick behalte: Der Gemeinderat müsse bei jeder einzelnen Entscheidung überprüfen, ob sie mit diesen im Einklang stehe. Erwin Hees (CDU) freute sich darüber, dass der ganze Prozess „miteinander und nicht fraktionsweise“ abgelaufen sei. Einhellig hat das Gremium den Abschlussberichten zum Gemeindeentwicklungs- und Mobilitätskonzept zugestimmt. Den Bürgerinnen und Bürgern sollen die Ergebnisse bei einer Abschlussveranstaltung am 3. Juli vorgestellt werden.
Was den Bürgern wichtig ist
Bürgerbeteiligung: Wenn Bürgerinnen und Bürger Prioritäten benennen, werden unter anderem folgende Punkte genannt: eine attraktive, alternative Mobilität; die Unterstützung von Gewerbetreibenden; mehr Aufenthaltsqualität; ein moderater Zuzug; die Aufwertung und Zugänglichkeit der Gewässer; aktive Anpassungen an den Klimawandel; weitere Angebote für alle Altersgruppen und ein attraktiverer Freizeit-Tourismus.
Mobilität: Die Mobilität soll auf kurzen Wegen in der Gemeinde und in der Region funktionieren, die Lebensqualität verbessern, so der Wunsch. Dabei soll die Mobilität vielfältig, ökologisch und vernetzt sein. (aia)
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