Esslingen

Vollbremsung auf dem Weg zur Elektromobilität

Die Stadt Esslingen strebt einen voll elektrischen Busverkehr an. Die neuen Elektrohybridbusse dafür hat sie bei der Firma van Hool bestellt. Jetzt ist van Hool insolvent – was das für den Esslinger Busverkehr bedeutet, ist noch völlig unklar.

Eigentlich will man in Esslingen Tempo machen bei der Verkehrswende. Man spricht hier gern von einer Vorreiterrolle beim Umstieg auf Elektrobusse. Doch gerade beim Busverkehr war Esslingen in den vergangenen Jahren eher im Schlingerkurs unterwegs. Jetzt sieht es so aus, als würde die Stadt beim öffentlichen Nahverkehr erneut ausgebremst: Der Bushersteller van Hool, bei dem sie ihre neuen Elektrohybridbusse bestellt hat, ist insolvent.
Was das genau bedeutet für die geplante Umstellung auf einen komplett elektromobilen Busverkehr in Esslingen, ist noch unklar. Die Stadt hat für 50 Millionen Euro 46 Elektrohybridbusse bei van Hool bestellt. Ob diese angesichts der Insolvenz des Herstellers noch produziert werden können und wenn ja wann, kann man im Rathaus nicht sagen.
Im besten Fall könnten die Busse wie geplant geliefert werden – immerhin stehe eine Übernahme oder ein Kauf des insolventen Unternehmens im Raum, sagt Johannes Müller, Technischer Werkleiter des Städtischen Verkehrsbetriebs Esslingen (SVE). „Im schlechtesten Fall bedeutet die Insolvenz von van Hool, dass die Busse nicht geliefert werden können und neu ausgeschrieben werden müsste“, so Johannes Müller.
Daher ist auch unklar, ob die Zuschüsse des Bundes in Höhe von rund 27,4 Millionen Euro überhaupt wie erwartet fließen können. Bislang wurden lediglich 4,1 Millionen Euro davon an die Stadt ausbezahlt. Ob der Bund bei einer längerfristigen Verschiebung der Lieferung die Fördermittel weiter voll bereitstelle, entscheide das Bundesverkehrsministerium, sagt Müller. „Nach unserer Einschätzung hängt dies stark von der Länge der Verschiebung ab.“
Ohnehin hinkt die Stadt beim Busverkehr ihren eigenen Ambitionen hinterher. Ursprünglich sollte die Umstellung auf 100 Prozent Elektrohybridbusse mit Batterie in diesem Jahr abgeschlossen werden. Weil man noch auf die Entscheidung des Bundes über die Fördergelder warten musste, wurde der Starttermin für die voll elektrische Busflotte aber bereits 2022 auf das Jahr 2025 verschoben. Laut Müller läuft der Ausbau der Oberleitungen in der Stadt zwar nach Plan, bislang ist jedoch noch kein einziger der 46 neuen E-Busse geliefert worden.

Zahlreiche Turbulenzen
Jetzt sieht es so aus, als könnte auch das anvisierte Ziel einer Umstellung im kommenden Jahr wackeln. Diese erneute Panne reiht sich ein in zahlreiche Turbulenzen im Esslinger Busverkehr in den vergangenen Jahren. Schon als die Linienbündel vor einigen Jahren erstmals europaweit ausgeschrieben werden mussten, war der Unmut in der ehemaligen Reichsstadt groß.
Denn statt der alteingesessenen Busunternehmen Fischle, Schlienz und Schefenacker, die jahrzehntelang zusammen mit dem SVE den örtlichen Busverkehr bedient hatten, bekam die Calwer Firma Rexer als wirtschaftlich günstigste Bieterin den Zuschlag. Sie war fortan für ein Drittel des Esslinger Busverkehrs zuständig. Doch kaum hatte Rexer das Steuer übernommen, hagelte es Beschwerden – über unfreundliche Busfahrer, die die Routen nicht kannten und zum Teil der deutschen Sprache nicht mächtig waren, über zu lange Anfahrten vom Betriebshof im Kreis Göppingen nach Esslingen oder über Leerfahrten bis zum Dulkhäusle, wo die Busse dann wendeten. Nachdem Rexer im Sommer vor fünf Jahren auch noch Insolvenz anmelden musste, folgte im Jahr darauf der endgültige Rückzug aus Esslingen.
Das Hickhack war jedoch auch damit noch nicht beendet. Denn während Grüne, SPD, Linke und FÜR daraufhin für einen Busverkehr komplett in städtischer Hand kämpften, hätte das bürgerliche Lager lieber die bis dato übliche Einteilung von rund 70 Prozent städtischen und 30 Prozent privaten Buslinien beibehalten. Mit hauchdünner Mehrheit setzten sich die Befürworter der rein städtischen Lösung durch, die zugleich eine Umstellung auf hundert Prozent Elektromobilität im Busverkehr beinhaltete. Wann diese kommt, ist angesichts der neuen Turbulenzen jetzt aber wieder unklar.

Ausbau des elektromobilen Busverkehrs
Oberleitungen: In vier Abschnitten sollen die Oberleitungen in Esslingen ausgebaut werden, um künftig einen vollelektrischen Busverkehr zu ermöglichen. Derzeit wird der Streckenabschnitt in der Pliensauvorstadt gebaut, es folgen Oberleitungen auf dem Zollberg, im Esslinger Norden und am Altstadtring.
Busse: 2016 kam erstmals ein Batterie-Oberleitungsbus in Esslingen zum Einsatz. Inzwischen sind insgesamt zehn Oberleitungsbusse in der Stadt unterwegs. Die Flotte soll künftig um 46 Elektrohybrid-Fahrzeuge aufgestockt werden, die nach und nach die Dieselbusse ersetzen sollen. (meb)

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