Neckar Schurwald

Zwischen Energiewende und Naturschutz

Einigung zwischen Naturschutzverbänden und Investoren: Solarpark auf ehemaliger Daimler-Teststrecke in Wernau rückt näher.

Im Februar haben die Naturschutzverbände BUND, Nabu und LNV (Landesnaturschutzverband) eine Vereinbarung mit der Grünline GmbH unterschrieben. Letztere will im Auftrag der Grundstückseigentümer auf dem Gelände der ehemaligen Daimler-Teststrecke in Wernau einen Solarpark bauen.
„Es ist so, dass man intensiv gerungen hat“, sagte Christian Küpfer, als er den Kompromiss im Gemeinderat vorstellte. Sein Büro Stadt-Land-Fluss hat versucht, Naturschutz und wirtschaftliche Interessen des Investors in Einklang zu bringen. Zuletzt hatte sich die Situation allerdings zugespitzt: Als die Rodung der Bäume und Gehölze auf der Fläche begann – auf Basis einer Ausnahmegenehmigung des Landratsamtes vom 17. Dezember – legte der LNV mit dem Rückhalt von Nabu und BUND Widerspruch ein. Dieser hatte aufschiebende Wirkung, das Abholzen wurde gestoppt.
So kam es zu einem Gespräch und einem Vor-Ort-Termin der beiden Parteien, wobei die Naturschützer einige Punkte durchsetzen konnten, die ihnen wichtig waren. Sie hatten von Anfang an eine 30 Meter breite Pufferzone zum Naturschutzgebiet gefordert, die man nun im Durchschnitt erreichen dürfte, sagt Roland Appl, der Sprecher des Nabu-Kreisverbands und seit Jahrzehnten für das Naturschutzgebiet Wernauer Baggerseen engagiert. Zudem habe die Randzone einen sinnvolleren Zuschnitt, sodass keine bestehenden Biotope zerschnitten würden. Ebenso dürfe der Nabu diesen Bereich, obwohl er nicht zum Schutzgebiet selbst gehört, nach Naturschutzgesichtspunkten entwickeln und pflegen. „Wenn die durch das Planungsbüro Stadt-Land-Fluss erarbeiteten Ausgleichsmaßnahmen noch wie vereinbart umgesetzt werden, sind wir soweit zufrieden“, sagt Appl.
Grund zum Feiern haben die Naturschützer dennoch nicht. War doch ihre Hoffnung ursprünglich, dass mit dem Ende der Teststrecke diese Fläche dem Naturschutzgebiet zugeschlagen würde. Diese Hoffnung hat sich durch die Pläne der Grundstückseigner – es sind die Eigentümer des Wernauer Betonwerks – zerschlagen. Appls Fazit: Bei einer Abwägung von erneuerbaren Energien gegen den Naturschutz werde letzterer „zurzeit immer den Kürzeren ziehen“ – entsprechend der Priorität, die die Energiewende auf hoher politischer Ebene habe.
Anders als der Investor gehen die Naturschützer nicht davon aus, dass das Grundstück mit der Freiflächen-Solaranlage ökologisch gewinnt. Denn vorher verlief hier zwar die Teststrecke, der größte Teil des Geländes war aber mit Feldgehölzen und Bäumen bewachsen. Christian Küpfer und Stadt-Land-Fluss sind dagegen überzeugt, die Biodiversität werde „mindestens genauso hoch“ wie bisher sein. Fest steht, dass die Fläche unter den aufgeständerten Solarmodulen beweidet werden soll, außerdem ist alle paar Reihen die Pflanzung niedriger Hecken vorgesehen. Und auf einer benachbarten Fläche, bereits auf Markung Köngen, sollen zum Ausgleich für die gerodeten Wildgehölze wieder Feldhecken gepflanzt werden.
Inzwischen liegt der Stadt auch ein Bescheid des Regierungspräsidiums vom 6. März vor, dass die Zielabweichung für die ehemalige Teststrecke zugelassen werde. Diese Zustimmung ist notwendig, weil das Gebiet in einem regionalen Grünzug liegt, der solche Nutzungen eigentlich ausschließt. Der Wernauer Gemeinderat hat zudem kürzlich den zugehörigen Bebauungsplan „Gemeindewasen“ – bei Enthaltung der Grünen – als Satzung beschlossen. Ebenso hat das Gremium der Änderung des Flächennutzungsplans zugestimmt. Damit ist das Verfahren einige Schritte weiter. Und das Gelände zwischen dem See beim Fischereiverein und dem „kleinen See“ im Naturschutzgebiet ist mittlerweile komplett gerodet.

Solarpaneele und Zauneidechsen
Die Anlage:
Der Solarpark, einschließlich der nicht genutzten Puffer- und Randzonen, wird rund 5,2 Hektar Fläche umfassen. Darauf sollen 45 Reihen mit Solarpaneelen errichtet werden. Die Leistung der Anlage ist mit 5,45 Megawatt-Peak geplant.
Schützenswerte Natur: Bei der artenschutzrechtlichen Untersuchung wurden rund zwei Dutzend Brutvögel und verschiedene Fledermausarten beobachtet. Es handle sich jedoch zum größten Teil um häufige Arten, so der Bericht. Auch Blindschleichen, Ringelnattern und Zauneidechsen sind gesichtet worden. In der Bauzeit müssen Schutzmaßnahmen im Hinblick auf die Eidechsen beachtet werden. Nicht weit entfernt vom Solarparkgebiet befindet sich ein Biberbau. Naturschützer befürchten Auswirkungen auf das angrenzende Schutzgebiet, in dem weitaus mehr Vogel- und anderen Tierarten leben. Auch als Zwischenhalt für Zugvögel ist das Gebiet von großer Bedeutung. (aia)

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