Überraschende Wendung in der Esslinger Bibliotheks-Debatte: Das frühere Modehaus steht nun doch zum Verkauf – allerdings nicht die ganze Fläche.
Mit Spannung warten viele seit Wochen auf eine vertiefte Machbarkeitsstudie, die zeigen soll, ob sich das frühere Modehaus Kögel als neuer Standort für die Esslinger Stadtbücherei eignen würde, welche Kosten damit verbunden wären und ob ein Umzug wesentliche Vorteile gegenüber einem Verbleib in einem modernisierten Bebenhäuser Pfleghof bringen würde. Noch vor der Sommerpause soll der Esslinger Gemeinderat entscheiden. Nun hat Oberbürgermeister Matthias Klopfer mit einer unerwarteten Wendung überrascht .
Zumindest der größte Teil des früheren Modehauses steht nun doch zum Verkauf. Bislang hatten die Eigentümer stets signalisiert, nur an einer langfristigen Vermietung interessiert zu sein. Der OB möchte diese Möglichkeit nutzen und sieht darin die beste Option für die Bibliothek.
Verschiedene Gutachter haben in den vergangenen Monaten Aspekte wie etwaige Gebäudeschäden, Brandschutz und Haustechnik sowie mögliche Optionen für Innenarchitektur und Ausstattung einer Bücherei im Kögel-Gebäude untersucht. Während man im Rathaus mit den Ergebnissen der Untersuchungen zufrieden ist, haben sich die Verhandlungen mit den Vermietern zuletzt mehr und mehr festgefahren. Zankapfel war, ob die Vermieter die Verantwortung und damit das Risiko für „Dach und Fach“, also die Gebäudesubstanz und die Haustechnik, übernehmen würden.
Was die Verhandlungen noch anspruchsvoller machte: Der Gebäudekomplex des früheren Modehauses ist nicht in einer Hand. „Die Flächen Fischbrunnen 4 und 4/1 werden entgegen der ursprünglichen Pläne nicht weiterverfolgt, da es dort unter anderem eine komplexe Eigentümersituation gibt“, heißt es nun im Rathaus. Anders sieht es bei der Zehentgasse 1 und dem Rathausplatz 14 aus, die den weitaus größten Teil des früheren Modehauses ausmachen. Deren Eigentümer, die einen Verkauf zunächst kategorisch ausgeschlossen hatten, haben inzwischen ihre Verkaufsbereitschaft signalisiert, nachdem die Machbarkeitsstudie auf dem Tisch lag.
Sanierungskosten von 13,5 Millionen Euro
Für OB Matthias Klopfer stellt ein Kauf des Gebäudes, den auch die Grünen im Gemeinderat stets gefordert hatten, inzwischen die bessere Variante dar, weil die Stadt damit eine Schlüsselimmobilie dauerhaft in ihrem Besitz hätte und von Anfang an bestmöglich herrichten könnte. Geschätzte Sanierungskosten: 13,5 Millionen Euro. Dazu kommt der Kaufpreis für Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14, zu dessen Höhe man sich im Rathaus mit Blick auf die Interessen der Verkäufer nicht öffentlich äußert. Der Architekt Philipp Kopper vom Eigenbetrieb Städtische Gebäude Esslingen ist mit den gutachterlichen Ergebnissen für Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14 zufrieden: „Die Untersuchungen haben gezeigt, dass das sehr gut funktionieren würde.“
Durch einen Umzug ins Kögel-Gebäude hätte die Stadtbücherei nach Abzug der ursprünglich geplanten Flächen am Fischbrunnen 4 und 4/1 laut der Verwaltung rund 700 Quadratmeter mehr Publikumsfläche zur Verfügung als im Pfleghof ohne eine mögliche Erweiterung in die Heugasse 11. „Im Kögel-Gebäude könnte die Bücherei beispielsweise einen größeren Kinder- und Familienbereich und einen eigenen Jugendbereich erhalten. Auch die Fahrbücherei kann angebunden werden, denn der Bücherbus könnte das Haus direkt anfahren“, heißt es im Rathaus. Das bisherige Bücherbus-Depot in Oberesslingen würde dann aufgegeben.
Derzeit haben die Hauptstelle im Bebenhäuser Pfleghof, die Außenstelle in Berkheim und die Fahrbücherei einen Gesamtbestand von 144 967 Medieneinheiten. „Unter Berücksichtigung verschiedener Faktoren wie der Zusammenlegung von Hauptstelle und Fahrbücherei, sich wandelnder Medienlandschaft, Digitalisierung und so weiter gehen wir – Stand heute – von einem physischen Zielbestand von zirka 135 400 Medieneinheiten in drei bis fünf Jahren aus“, sagt die Kulturamtsleiterin Alexa Heyder.
Für Klopfer sprechen viele Argumente für einen Umzug ins Kögel-Gebäude. Am bisherigen Bücherei-Standort im Bebenhäuser Pfleghof könnten die drei Standorte der städtischen Museen – Stadtmuseum, Schreiber-Museum und Schwörhaus – zusammengefasst werden. Das Schwörhaus könnte dann für eine Erweiterung der benachbarten Waisenhofschule genutzt werden.
Stimmt der Gemeinderat den Plänen der Verwaltung Ende Juni zu, soll die Stadt den Kauf von Zehentgasse 1 und Rathausplatz 14 in Angriff nehmen, die entsprechenden Planer beauftragen, bis 2026 eine Grobkonzeption für ein künftiges Stadtmuseum mit Schreiber-Museum und danach eine Machbarkeitsstudie erarbeiten, die zeigen soll, ob dieses Konzept im Bebenhäuser Pfleghof umsetzbar ist. Den Antrag von Linke und FÜR sowie „WIR/Sportplätze erhalten“, über den Standort der Bücherei in einem Bürgerentscheid befinden zu lassen, soll der Gemeinderat ablehnen, empfiehlt die Verwaltung.
Zukunft der Heugasse 11
Heugasse 11: Die Stadt hatte das Nachbargebäude des Bebenhäuser Pfleghofs in den 1990er-Jahren zur Erweiterung der Bücherei gekauft. Mehrere Konzepte wurden seither diskutiert, aber nie realisiert. Zuletzt hatte die Stadt die Sanierung der Heugasse 11 wegen geschätzter Kosten von elf Millionen Euro verworfen – eine Zahl, die nicht nur der ehemalige Stadtrat und Denkmalexperte Eberhard Scharpf senior stets angezweifelt hatte.
Kosten: Inzwischen ist klar, dass Scharpf recht hatte. In einer neuerlichen Machbarkeitsstudie für die Sanierung geht ein Esslinger Architekturbüro davon aus, dass rund vier Millionen Euro genügen würden, um das Gebäude für Wohnungen oder Büros zu nutzen. Verzichtet werden müsste auf eine direkte Anbindung an den Pfleghof, der Innenhof würde nicht in das Gebäude integriert, die beiden Gewölbekeller könnten nur als Lagerflächen verwendet werden.
Nutzung: Zwei Nutzungsmöglichkeiten sieht die Verwaltung: In der Heugasse 11 könnten mit einem Kostenaufwand von rund vier Millionen Euro entweder sechs Wohnungen mit 66 bis 98 Quadratmetern oder bei einer Büronutzung 38 Arbeitsplätze entstehen. Die Befürworter einer Pfleghof-Erweiterung hatten angeregt, im Nachbarhaus entweder die Bücherei-Verwaltung oder zusätzliche Besucher-Arbeitsplätze unterzubringen. (adi)
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