Technikfreaks, Elektronikfans und Heimwerker aus der Seegrasspinnerei und dem „nt-space“ reparieren im Nürtinger Repair Café einen Tag lang kostenlos und ehrenamtlich defekte Geräte.
An seinem Walkman aus den 90er-Jahren hängt Alexander Gautsches Herz: „Für den hab‘ ich als Elfjähriger lange gespart. Er war mein Retter, als ich mit Gehirnerschütterung in der Kinderklinik lag.“ Weil das gute Stück leider nicht mehr funktioniert, brachte er es ins Nürtinger Repair Café, wo Reparaturexperten des Vereins „the-nt.space“ und der Alten Seegrasspinnerei gemeinsam mit dem Besitzer den tragbaren Kassettenspieler nach viel Tüftelei wieder zum Laufen brachten.
An einem Samstag pro Quartal verwandeln sich die Räumlichkeiten des Projekts „Zukunft gründen“ der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen ins Repair Café – mittlerweile schon zum elften Mal.
Zwischen 11 und 17 Uhr kann jeder Gerätschaften, die kaputtgegangen sind, mitbringen: Die Lampe mit Wackelkontakt, den Bandschleifer, der keinen Mucks mehr macht, das Bügeleisen mit Kabeldefekt, den scheppernden Lautsprecher, den Dampfreiniger, der den Geist aufgegeben hat, oder das Smartphone mit gesprungenem Display. Nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ unterstützen ehrenamtliche Technikfreaks, Elektronikfans und Computernerds bei der Reparatur, manche haben ein Studium oder eine Ausbildung vorzuweisen, andere sind erfahrene Bastler und Heimwerker. Sie alle engagieren sich in der Alten Seegrasspinnerei und im Netzwerk „the-nt.space“, einer offenen Werkstatt und Ideenschmiede für Macher, Tüftler und Kreative. Die Reparatur ist kostenlos. Nur Ersatzteile wie Kabel, Stecker oder Sicherungen müssen bezahlt werden. Auch über eine wertschätzende Spende freuen sich die Macher, die nicht nur ihre Zeit, ihr Wissen und ihre Erfahrung zur Verfügung stellen, sondern auch ihr privates Werkzeug mitbringen und für Kaffee und ein üppiges Kuchenbuffet sorgen.
Zur Reparatur gibt es Kaffee und Kuchen
„Ich mag den Austausch und die Begegnungen im Repair Café. Man kann mitmachen und selbst echt was lernen“, erzählt Iris Hachtroudian. Hier bekommen auch Technik-Laien plötzlich Spaß am Schrauben.
Vielen tut es im Herzen weh, wenn ein Lieblingsteil im Müll landet: „Wegwerfen ist nicht nachhaltig, es schadet der Umwelt. Wenn man defekte Geräte repariert, hält man sie in Ehren, und man spart Ressourcen“, sagt Dennis Hemmer, der den Staubsauger seiner verstorbenen Großmutter dabeihat: „Der hat so viel mehr Power als die neuen Modelle, aber leider riecht er ziemlich brenzlig.“ Zu dritt kümmern sich die Bastler um das gute Stück: „Heute werden leider viele Gehäuse nicht mehr geschraubt, sondern verklebt. Die bekommt man für eine Reparatur nicht mehr geöffnet. Manche Firmen verwenden Schrauben, für die man Spezialwerkzeug braucht, oder Clipse, die beim unsachgemäßen Öffnen brechen“, bedauert Jochen Braunmüller vom „the-nt.space“-Vorstand. „Dieser alte Staubsauger ist im Gegensatz dazu Oldschool, der lässt sich prima reparieren.“
Es ist ein bunt gemischtes Publikum, dem an diesem Samstag im Repair Café mit Rat und Tat geholfen wird: „Ältere Herrschaften kommen genauso wie jüngere Menschen, Männer wie Frauen. Manche mit schmalem Geldbeutel. Aber auch viele Leute, die bewusst nachhaltiger leben wollen“, erzählt Jochen Braunmüller. Manchmal hilft schon ein Durchpusten mit Druckluft, um Staub zu entfernen, mal muss nur geschmiert werden, mal braucht’s einen neuen Antriebsriemen, den Dorothea Reichbauer von der Seegrasspinnerei aus ihrem Fundus hervorholt.
Anderes dauert länger und wird zur echten Herausforderung: „Bevor es an die Operation am offenen Gehäuse geht, schauen wir erst einmal genau hin, was uns das Innenleben verrät“, plädiert Benjamin Layh von „the-nt.space“ für Behutsamkeit. „Und man sollte zwischendurch immer mal wieder ein Foto machen, damit man hinterher weiß, wie alles wieder zusammengehört.“
Am Tisch nebenan ist ein Laptop leider nicht mehr zu retten, zumindest können die Daten gesichert werden.
Benjamin Layh erinnert sich an eine defekte Reise-Nähmaschine, für die ein fehlendes Zahnrad partout nicht mehr aufzutreiben war. Kurzerhand wurde es im Repair Café mit CAD-Software nachgebaut, im 3D-Drucker hergestellt und wieder eingebaut. Jede erfolgreich abgeschlossene Reparatur wird mit Applaus und einem Gongschlag gefeiert.
Sehr zur Freude der Nürtinger Tüftler konnten die allermeisten der 43 Aufträge an diesem Samstag zur Zufriedenheit erledigt werden: „Die Sache hier soll vor allem Spaß machen: Uns selbst, aber auch all den Menschen, die ihre kaputten Sachen hinterher repariert wieder mit nach Hause nehmen können“, erklärt Benjamin Layh.
Info: Das Repair Café in der Alten Seegrasspinnerei (Plochinger Straße 14) findet immer am zweiten Freitag im Monat von 17 bis 19.30 Uhr statt. Das nächste Mal am Samstag, 18. Januar, von 11 bis 17 Uhr in der Hechinger Straße 12. www.the-nt.space.
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