Die Neuausschreibung der Esslinger Oberleitungsbusse hat nun doch etwas Positives für die Stadt: Für die 52 Elektrohybridbusse muss sie deutlich weniger zahlen als ursprünglich angenommen. Dabei hatten viele Stadträte eine Kostenexplosion befürchtet.
Die Insolvenz des Busherstellers van Hool im vergangenen Jahr hatte die Zukunft des Esslinger Busverkehrs zunächst heftig ins Schlingern gebracht. Denn für einige Stadträte war sie ein Anlass gewesen, den bereits beschlossenen Weg in Richtung batterieergänzte Oberleitungsbusse noch einmal zu überdenken. Nun aber hat die wegen der Insolvenz notwendig gewordene Neuausschreibung einen positiven Nebeneffekt: Die batterieergänzten Oberleitungsbusse werden deutlich günstiger als gedacht.
Das günstigste Angebot für die 52 Batterie-Oberleitungsbusse stammt von der tschechischen Firma Skoda Electric und liegt bei rund 41,4 Millionen Euro – das sind etwa acht Millionen Euro weniger, als für die 46 Elektrohybridbusse der Firma van Hool fällig geworden wären. Und nicht nur preislich, sondern auch bei anderen Kriterien wie etwa dem Verbrauch oder der behindertengerechten Ausstattung habe die Firma von allen Bietern am besten abgeschnitten, betont Johannes Müller, der technische Werksleiter des Städtischen Verkehrsbetriebs Esslingen (SVE). „Die Ausschreibung lief aller Unkenrufe zum Trotz sehr gut“, sagt auch der für den Busverkehr zuständige Erste Bürgermeister Ingo Rust.
Auf Grundlage dieser Entwicklung hat der Gemeinderat den Auftrag vergeben. Damit ist der Weg frei für die Produktion der Oberleitungsbusse, die bis Ende 2026 fahrtauglich sein sollen. Für die Stadt ist die Einhaltung dieser Frist sehr wichtig, weil der ungewöhnlich hohe Bundeszuschuss von 27,4 Millionen Euro für dieses Vorhaben nur bis Ende des kommenden Jahres abgerufen werden kann.
Der SVE-Chef Johannes Müller rechnet damit, dass der ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann: „Ich gehe davon aus, dass wir im Sommer 2026 die ersten Busse ausgeliefert bekommen.“ Voraussichtlich würden pro Woche fünf bis sechs Fahrzeuge geliefert. Diese müssten dann noch den letzten Schliff für die Verkehrstauglichkeit erhalten und vom Regierungspräsidium abgenommen werden. „Wir haben mit Skoda ausgemacht, dass während der Anlieferung immer Techniker vor Ort sind, damit wir die Fahrzeuge schnellstens dem Verkehr übergeben können“, sagt Müller.
Parkfläche im Gewerbegebiet Sirnau
Angeliefert werden sollen die neuen Fahrzeuge auf einem Grundstück in der Esslinger Dornierstraße. Im Vorfeld hatte es kontroverse Diskussionen um die Nutzung des rund 4000 Quadratmeter großen Gewerbegrundstücks gegeben, das zwischen dem Abholcenter eines großen Möbelhändlers und dem Geschäft eines Farbenspezialisten im Stadtteil Sirnau liegt. Denn im Gemeinderat sahen einige in dem Grundstück einen idealen Gewerbestandort, den sie nicht als „Busparkplatz“ verscherbelt wissen wollten. Mit hauchdünner Mehrheit wurde letztlich dennoch beschlossen, das Areal künftig als Abstellfläche für den städtischen Busverkehr zu nutzen. Ziel sei es nun, das Gelände spätestens bis zum Sommer 2026 dafür herzurichten, sagt Müller.
Auch der Ausbau der Oberleitungen schreite voran, berichtet der SVE-Technikchef. In der Pliensauvorstadt seien die Arbeiten bereits beendet, derzeit bereite man den Ausbau auf der Mülbergerstraße und der Rotenackerstraße in den Esslinger Norden vor. Auch die Ausstattung des Altstadtrings habe man bereits im Blick. „Die Arbeiten auf dem Altstadtring sollen im zweiten Quartal 2026 starten, damit sie bis Ende des Jahres abgeschlossen sind“, erklärt Müller.
Energiepreise durch die Decke gegangen
Dass die O-Busse nun so viel günstiger sind als die 50 Millionen Euro, die bei van Hool für die 46 Batterie-Oberleitungsbusse angefallen wären, überrascht Müller nicht sonderlich. „Die damalige Ausschreibung fiel direkt in die ersten Wirren des Ukraine-Kriegs“, erklärt er. Damals seien die Energiepreise durch die Decke gegangen, deshalb hätten die Hersteller wohl Sicherheitspuffer eingerechnet. Daher sei das Preisniveau in der Branche insgesamt höher gewesen. Inzwischen hätten sich die Kriegswirren differenziert und die Energiepreise seien nicht mehr ganz so hoch, weshalb auch die Kosten für die Busse gesunken seien. Und das, obwohl die Stadt inzwischen 52 statt der bei van Hool bestellten 46 Batterie-Oberleitungsbusse benötigt – unter anderem, weil die neue Ausbaustufe des Lärmaktionsplans zu einem höheren Bedarf an Bussen führt.
Beschlüsse
Im Jahr 2017 hatte der Gemeinderat beschlossen, dass der städtische Busverkehr schnellstmöglich rein elektrisch betrieben werden soll. Zwei Jahre später fiel die Entscheidung für einen stufenweisen Ausbau der Oberleitungen. 2020 folgte der Beschluss, dass der gesamte Busverkehr vom Städtischen Verkehrsbetrieb bedient werden soll – bis dato hatten private Busunternehmen ein Drittel des Nahverkehrs übernommen. (meb)
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