Der Gemeinderat Wernau stimmt fast einhellig einer Fortsetzung des Bauleitplanverfahrens für das Projekt auf der früheren Daimler-Teststrecke zu.
Ein Dreivierteljahr ist vergangen, seit der Wernauer Gemeinderat den Vorentwurf des Bebauungsplans abgesegnet hat. Jetzt aber kann das Bauleitplanverfahren für die „Freiflächen-Photovoltaikanlage Gemeindewasen“ seinen nächsten Schritt machen. Einstimmig, bei zwei Enthaltungen der Grünen, sprach sich das Gremium dafür aus, den Flächennutzungsplan (FNP) für das Gebiet der ehemaligen Daimler-Teststrecke abzuändern, und billigte zudem den Planentwurf für die vorgesehene Bebauung.
Es gibt mehrere Gründe, warum sich das Verfahren etwas länger hingezogen hat als erwartet – und es wird sich auch noch eine Weile hinziehen, bevor klar ist, ob der Besitzer des Areals, der Betreiber des nahe gelegenen Betonwerks, dort eine rund fünf Hektar große Freiflächen-PV-Anlage bauen lassen kann. So gab es überraschenderweise zwar keine Stellungnahmen oder gar Einwendungen aus der Bevölkerung, dafür aber meldeten sich einige der sogenannten Träger öffentlicher Belange kritisch zu Wort.
In Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet
Zuvorderst merkten der Verband Region Stuttgart (VRS) und das Regierungspräsidium (RP) an, dass der vorgesehene Solarpark in einem regionalen Grünzug entstehen soll, was per se ein Problem darstellt, da diese Bereiche als Freiräume gelten und in ihrer Funktion eigentlich nicht beeinträchtigt werden sollen. Zudem, und auch darauf wurde vom RP und vom Esslinger Landratsamt explizit hingewiesen, grenzt das Projekt an das Naturschutzgebiet Wernauer Baggerseen. Dies wiederum hatte auch der Naturschutzverband Nabu missbilligt und deshalb einige Forderungen gestellt.
Eine artenschutzrechtliche Prüfung durch das Nürtinger Büro Stadt Land Fluss von Christian Küpfer ergab allerdings, „dass bei Berücksichtigung von Maßnahmen zur Vermeidung und Sicherung der kontinuierlichen ökologischen Funktionalität die Verbotstatbestände nach dem Bundes-Naturschutzgesetz nicht erfüllt sind“. Sprich: Fledermäuse, Amphibien, Schmetterlinge, totholzbewohnende Käfer und der Biber sind laut der Untersuchung „nicht wesentlich betroffen“. Für die in dem Plangebiet vorkommenden Vogelarten und Zauneidechsen könnten mit Ausgleichsmaßnahmen neue Habitate geschaffen werden, heißt es in dem Gutachten weiter.
Küpfer verwies – ebenso wie Thomas Häußler vom Neu-Ulmer Büro für Stadtplanung Zint & Häußler, das die FNP-Anpassungen ausgearbeitet hat – zudem auf die vorgenommenen Änderungen im Vergleich zum Vorentwurf. Demnach seien die Abstände zum Naturschutzgebiet (NSG) auf durchschnittlich 26 Meter vergrößert worden, was der Forderung des Nabu von 30 Metern ziemlich nahekomme. Darüber hinaus gebe es durch die vorgenommenen Korrekturen mit dem NSG keine Überlagerungen mehr. Häußler betonte, „dass die wertvollen Flächen ohnehin schon vorab herausgenommen wurden“. Und ganz generell seien in dem Gebiet offene Flächen ja ausdrücklich erwünscht. „Dem werden wir im Plangebiet gerecht, zumal sich dort auch noch viele Feldgehölze finden werden“, ergänzte er.
Anlage auf Pfählen angebracht
Küpfer stellte klar, dass es zu keiner zusätzlichen Versiegelung durch den Bau der PV-Anlage komme, da die Module auf Pfählen angebracht würden. Zudem seien die Abstände zwischen den Reihen und zum Boden so groß, dass eine Beweidung stattfinden könne. Das Fazit der beiden Fachleute, das sie dem Wernauer Gemeinderat präsentierten, fiel demzufolge insgesamt positiv aus: „Die Böden werden weiterhin mager bleiben. Die Flächen werden eher bereichert. Deren Qualität lässt sich durch diese andere Art der Nutzung zweifellos halten.“ Diese Aussagen, unterstützt durch die entsprechenden Argumente, überzeugten die große Mehrheit des Gremiums offenkundig. Allzu viele Nachfragen gab es nicht, beziehungsweise sie gingen eher in Richtung des weiteren Prozederes. Bürgermeisterin Christiane Krieger betonte dabei, dass ein Zielabweichungsverfahren notwendig sei: „Die Regionalplanung soll, was derartige Anlagen betrifft, zwar geändert werden, aber das dauert sicher noch eine längere Zeit.“
Ob es mit dem Solarpark bei Wernau nun tatsächlich rasch vorangeht, bleibt indes abzuwarten. Der Nabu-Kreisvorsitzende Roland Appl, der erst im Nachgang der Sitzung über die Änderungen im Planwerk informiert worden war, kündigte schon einmal an, „dass wir uns da selbstverständlich nochmals zu Wort melden werden“. Küpfer habe zwar viele Anregungen übernommen. „Unsere Hauptforderung zur Pufferzone aber eben nicht“, sagte Appl. Die engsten Stellen seien immer noch ein Problem. Die 26 Meter Abstand könnten im Durchschnitt zwar stimmen. „Der Biberbau ist aber keine zehn Meter von der Anlage weg.“ Er verstehe nicht, weshalb die Betreiber das Areal „vollknallen“ wollten, anstatt im Sinne der Ökologie auf 50 Module zu verzichten.
Der weitere Zeitplan für den vorgesehenen Solarpark
Auslegung: Die Entwürfe zur Änderung des Flächennutzungsplans „Wernau/Neckar 2010-2025“ sowie zum Bebauungsplan und zu den örtlichen Bauvorschriften „Freiflächen-Photovoltaikanlage Gemeindewasen“ werden im Internet veröffentlicht und für mindestens 30 Tage öffentlich ausgelegt. In diesem Zeitraum erfolgt auch die Beteiligung der Behörden und sonstiger Träger öffentlicher Belange. Wie lange es im Anschluss noch dauert, bevor ein Feststellungsbeschluss gefasst und mit dem Bau begonnen werden kann, ist nicht zuletzt davon abhängig, ob weitere Änderungen am Planwerk vorgenommen werden müssen.
Zielabweichung: Die Beantragung eines Zielabweichungsverfahrens durch die Stadt Wernau ist erforderlich, weil die für den Bau vorgesehene Fläche im Regionalplan als Bestandteil des Regionalen Grünzugs G 35 „Filderebene, westliches Neckartal, Neckartenzlingen, Köngen, Plochinger Kopf“ ausgewiesen ist. Dieses Verfahren läuft parallel zur öffentlichen Auslegung und wurde mit dem Verband Region Stuttgart und dem Regierungspräsidium in Grundzügen bereits abgestimmt. Die Regionalversammlung hat über den Antrag auf Zielabweichung innerhalb von drei Monaten zu entscheiden. (eas)
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