Neckar Schurwald

In Plochingen geht eine Ära zu Ende

Nach 30 Jahren organisiert die Initiative Mahlwerk ihre letzte Ausstellung in der Galerie der Stadt. Uwe Keller, selbst Mahlwerk-Mitglied, zeigt überraschend rätselhafte Fotografien.

Das war keine leichte Entscheidung: aus 800 Fotografien 35 auszusuchen, die in der Ausstellung gezeigt werden. „Da wurde so manches Schätzchen geopfert“, gesteht der Maler und Fotograf Uwe Keller mit Bedauern. Doch die Arbeiten, die nun in der Galerie der Stadt Plochingen zu sehen sind, sind beeindruckende Zeugnisse kreativer Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie, jenseits von reinem Abbilden der Realität.
Völlig ohne Hilfe von Programmen, die durch Künstliche Intelligenz unterstützt werden, legt Keller ganz klassisch selbst Hand an bei der „Bildverbesserung“ am Computer. Es ist natürlich keine Verbesserung im eigentlichen Sinn, sondern künstlerisches Experimentieren. Was durch Mehrfachbelichtungen und Composing entsteht, sind Kunstwerke mit einem surrealen, mystischen Charakter. Einzelne Bildelemente werden dabei mit anderen Elementen und mit dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop am Rechner zu vielschichtigen Bildern zusammengefügt, die häufig malerische Elemente enthalten. Die zweite Methode, die Uwe Keller anwendet, sind die Mehrfachbelichtungen. Teilweise werden bis zu neun Fotografien bereits in der Kamera übereinander geschichtet, was zu einem verblüffend surrealen Effekt führt.

Didaktisch klug in drei Kategorien gebündelt
Uwe Kellers Ausstellung ist die letzte, die die Initiative Mahlwerk in der Galerie der Stadt Plochingen organisiert. Als langjähriger Mahlwerk-Ausstellungsmacher hat Keller diese letzte Präsentation selbst in die Hand genommen. Seine Arbeiten sind didaktisch klug in drei Kategorien gebündelt: Architektur, Natur und Menschen. Die Bilder der Werkgruppen sind stimmig im Farb- und Formenkanon.
Keller geht nie gezielt auf Motivsuche. „Die Ideen kommen spontan, wenn ich ein Motiv sehe“, sagt er. Etwa beim Spaziergang durch die Lange Gasse in Danzig. Dort bewegte er sich Schritt für Schritt weiter und drückte den Auslöser, mit dem Zoomobjektiv dabei einen Turm im Hintergrund immer gleich groß haltend. Die kleinen Ungenauigkeiten, die bei der Fünffach-Belichtung auftreten, machen den Reiz der Aufnahme aus, die aussieht, als ob sie einen Wackelkontakt hat. Ebenso die Maxim-Gorki-Kolonnade in Marienbad. An sich schon eine Ikone des neobarocken Baustils, wurde die lichtdurchflutete Wandelhalle durch Kellers Schichtungen zum fesselnden Vexierbild.
Egal, ob ein Nebenarm des Neckars, ob Menschen am Stuttgarter Hauptbahnhof oder die verlassenen Büroräume der alten Lenninger Papierfabrik Scheufelen als abstrakter Lost Place: Die experimentellen Fotografien haben eine magische Anziehungskraft, und man entdeckt immer wieder neue Figuren und Formen in den Kompositionen und Schichtungen.
„Ich hatte schon früh ein Faible für Bilder, die ineinander übergreifen“, erklärt der Fotograf mit Verweis auf die sogenannten Sandwich-Dias der 1980er- und 1990er-Jahre. Dabei wurden zwei Diapositive in einem Rähmchen übereinandergelegt – als Vorstufe der digitalen Mehrfachbelichtung, die Uwe Keller seit sechs Jahren betreibt.

Abschiedsschau
Ausstellung:
Die letzte Ausstellung, die die Initiative Mahlwerk in der Galerie der Stadt Plochingen organisiert, trägt den Titel „Durch.Licht“ und ist am 23. Januar eröffnet worden. Sie dauert bis 15. März. Künftig wird das Ausstellungsprogramm vom städtischen Kulturamt organisiert. Die erste Schau unter neuer Regie zeigt unter dem Titel „Licht und Farbe: Weitungen“ Arbeiten von Verena Könekamp und beginnt am 3. April.
Künstler: Uwe Keller wurde 1952 in Stuttgart geboren und lebt in Esslingen. Der passionierte Fotograf und Maler ist seit 1990 Mitglied der Initiative Mahlwerk und organisierte zehn Jahre lang den Ausstellungsbetrieb, der bereits 1995 aufgenommen wurde. Vor zwei Jahren beendete er diese Tätigkeit, da die eigene künstlerische Arbeit darunter gelitten hat. Seit 39 Jahren leitet er zudem den Fotoclub Lichtbildnergruppe Esslingen.  (pb)

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