Im wohl ältesten Gebäude Denkendorfs in der Türkengasse wohnten wahrscheinlich vor allem begüterte Bauern und Handwerker.
Das vermutlich älteste noch erhaltene Haus Denkendorfs stammt aus dem 14. Jahrhundert und steht in der heutigen Türkengasse. Straßennamen kamen allerdings erst sehr viel später auf. Die Denkendorfer Schriftenreihe aus dem Jahr 1999 nennt als Baujahr des Bauernhauses 1336. Es ist ein vierstöckiges Haus mit Stall, Wohnetage und zwei Dachböden. Heute ist das Gebäude Türkengasse 4 verputzt. Vorkragende Balken zeugen von seiner Fachwerkkonstruktion. Das Gebiet um Türkengasse, Riempengasse, Platz (Rathausplatz) und Gass (heute Kirchstraße) bildete die Keimzelle der Ortsbebauung, sagt Reinhard Mauz, der sich intensiv mit der Denkendorfer Geschichte beschäftigt. Das Problem der genauen Altersbestimmung sei, dass in Denkendorf noch nie eine wirkliche historische Erkundung der Häuser stattgefunden habe.
Die Siedlung einer Sippe
Mauz wertet derzeit gemeinsam mit einem Team die Kataster aus dem 18. und 19. Jahrhundert aus. Hierin sind Flurstücke, ihre Nutzung und die darauf stehenden Gebäude beschrieben. Daraus lässt sich ablesen, dass das Haus Türkengasse 4 Teil eines größeren Anwesens war. Gemeinsam mit dem an die Kirchstraße angrenzenden Gebäude Türkengasse 2 bildete es eine sogenannte Hofstatt. „Das war immer die Siedlung einer Sippe“, erklärt Mauz. Dazu gehörten neben Wohngebäuden Ställe, Scheunen, Holzschuppen und ein Hofraum. In diese freien Plätze bauten oft die Nachkommen ihrerseits Häuser. Dadurch entstand mit der Zeit eine dichte Bebauung. Die Gebäude waren meist nur durch schmale Durchgänge (Biegel) getrennt.
Die Verhältnisse in der Türkengasse 4 muss man sich düster vorstellen: ohne Licht, Luft oder einen Garten. Doch dies seien damals normale Lebensbedingungen gewesen, so Mauz. Die Dächer waren mit Stroh oder Holzschindeln gedeckt. Früh habe man diese in Denkendorf durch Ziegel ersetzt, sagt Mauz. Um 1400 gab es in Denkendorf rund 70 solcher Hofstätten. Um 1580 waren es schon 100. Gebaut wurde jedoch nur innerhalb Etters. Das meint das überwiegend bebaute Gebiet eines Ortes, das meist durch Holzzäune eingefriedet war.
Wie lebte man in einem solchen Bauernhaus? Fast immer war es ein Mehrgenerationenwohnen. Im Erdgeschoss war der Stall und bildete sozusagen die Fußbodenheizung für die Wohnräume im ersten Stock. Dort gab es eine beheizbare Stube und mehrere Kammern. Die Küche befand sich meist im Flur. Die Dachböden wurden als Vorratskammern etwa für Getreide und ähnliches genutzt. Das Haus ist in Holzständerbauweise erstellt und hat einen Steinsockel – was flächendeckend erst im 16. Jahrhundert aufgekommen sei, so Mauz. Dieses gemauerte Erdgeschoss bewahrte das Gebäude möglicherweise davor, einem der Brände zum Opfer zu fallen, die Anfang des 17. Jahrhunderts mehrfach in Denkendorf wüteten. Die Bauweise deutet laut Mauz aber auch darauf hin, dass es sich bei den Besitzern um eher begüterte Bauern und Handwerker handelte. Irgendwann wurde es um einen Anbau nach hinten erweitert.
Johann Michael Schäfer ist als erster Besitzer auszumachen. Er stammte aus Wolfschlugen und heiratete 1738 Anna Margaretha Brucker aus Denkendorf. „Vermutlich hat er damals das Haus gekauft“, sagt Mauz. Schäfer war eine Art früher Unternehmer. Er betrieb als Müller die Dorfmühle im heutigen Gebiet Klostermühle und war zugleich Bäcker und Schultheiß. Die Bäckerei hatte ihren Sitz wohl im Ensemble in der Türkengasse. Im vorderen, 1904 neu erbauten Haus Türkengasse 2, war noch bis ins 20. Jahrhundert eine Bäckerei ansässig. 1780 verkaufte Schäfer seinen Hausbesitz an Joseph Landenberger, der Feldmesser (Landvermesser) und ebenfalls Bäcker war. Er starb bereits 1798, und vermutlich verkaufte seine Witwe das Anwesen, weil sie neu heiratete.
Häufige Besitzerwechsel an der Tagesordnung
Käufer waren der Bauer Samuel Mezger und der Klosterchirurg Hans Jörg Nürk. Dass man Häuser gemeinsam erwarb, war damals keine Seltenheit. „Oft hatten die Leute nicht genug Geld und Miete war unüblich“, erklärt Mauz. Häufige Besitzerwechsel waren an der Tagesordnung. Gründe waren oft der Tod und die Wiederheirat. Häufig wurden die beengten Gebäude für die wachsenden Familien auch zu klein.
1837 übernahm Mezger das gesamte Ensemble. Der zweimal verheiratete Bauer hatte insgesamt 19 Kinder, von denen allerdings zehn als Säuglinge oder Kleinkinder starben. Bei seinem Tod 1839 bekamen seine drei ledigen Kinder Maria, Samuel und Gottlieb als Erbteil das Haus Türkengasse 4. Damit war die wirtschaftliche Einheit der beiden Häuser laut Kataster aufgelöst, sie bildeten eigene Wirtschaftseinheiten.
Als 1888 Gottlieb Mezger als Letzter der unverheirateten Geschwister starb, ging das Haus an jemand anderen, vermutet Mauz. Für das Jahr 1900 ist eine Familie Krinn als Besitzer erwähnt.
Noch heute kann man dem Gebäude, das inzwischen rein als Wohnhaus dient, seine einst bäuerliche Nutzung ansehen. Mehrere Eingänge deuten darauf hin, dass dort die Zugänge zu den Wohnräumen und zum Stall waren. Viele der einstigen Gebäude der Umgebung sind abgerissen, sodass die frühere Enge der Bebauung sich nur erahnen lässt.
So kam die Türkengasse zu ihrem Namen
Türkengasse: Die schmale Türkengasse hat ihren Namen wohl von Leonhard Wirtelin, der „der Türk“ genannt wurde, weil er in einem oder mehreren Kriegen gegen die Türken gekämpft hatte. Als Hausname wurde er auf dessen Nachkommen übertragen – die „Türkengasse“ war geboren
Fotos: Das Team um Reinhard Mauz sucht nach historischen Fotos von Häusern, die im Denkendorfer Kataster verzeichnet sind (E-Mail: reinhard.mauz@t-online.de; Telefon 07 11 / 34 41 77). (urh)
Kommentare sind deaktiviert.