Nach der Insolvenz des Herstellers Van Hool hing die Umstellung des Linienverkehrs auf Batterieoberleitungsbusse am seidenen Faden. Nun hat der Gemeinderat grünes Licht gegeben, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen.
Es bleibt dabei: Die Stadt Esslingen wird ihren Linienbusverkehr in den nächsten Jahren ganz auf emissionsfreie Batterieoberleitungsbusse umstellen. Eine entsprechende Grundsatzentscheidung hatte der Gemeinderat vor Jahren mit hauchdünner Mehrheit getroffen. Zuletzt war der Beschluss jedoch ins Wanken geraten, als der Bushersteller Van Hool, der 2022 den Auftrag für zunächst 46 Batterieoberleitungsbusse erhalten hatte, im März 2024 Insolvenz anmelden musste. Monatelang war danach im Gemeinderat und seinen Ausschüssen diskutiert worden, ob der eingeschlagene Weg noch richtig sei. Nun haben die Ratsmitglieder für klare Verhältnisse gesorgt und mit überraschend deutlicher Mehrheit entschieden, einen neuen Lieferanten zu suchen – nun sogar für insgesamt 52 Batterieoberleitungsbusse, weil der Bedarf inzwischen unter anderem durch die Erfordernisse des Lärmaktionsplans gestiegen ist.
In drei Sitzungen hatte der gemeinderätliche Ausschuss für Bauen, Mobilität und Klimaschutz im Vorfeld darüber diskutiert, wie es nach der Insolvenz von Van Hool weitergehen soll. Dass der Ausschuss entgegen sonstiger Übung keine Empfehlung an den Gemeinderat aussprach, ließ ahnen, dass die Entscheidung noch nicht in trockenen Tüchern war. Und so war im Vorfeld der gemeinderätlichen Entscheidung hinter den Kulissen viel spekuliert und verhandelt worden.
Infrastruktur weiter ausbauen
Die Verwaltung hatte vier Alternativen präsentiert, sich jedoch klar für ihr „Szenario 0“ ausgesprochen. Das sieht vor, den städtischen Busverkehr komplett auf Batterieoberleitungsbusse umzustellen und den Ausbau der Oberleitungsinfrastruktur fortzusetzen. Bis 2034 braucht der Städtische Verkehrsbetrieb (SVE) 62 Batterieoberleitungsbusse – derzeit gehören bereits zehn zur SVE-Flotte. Für Oberbürgermeister Matthias Klopfer war klar: „Dieses Konzept ist konkurrenzlos.“ Wichtige Argumente dafür seien die rasche Umsetzbarkeit und die weit fortgeschrittene Planung der Oberleitungsinfrastruktur, die in weiten Teilen bereits vorhanden sei und nur um etwa 15 Prozent ergänzt werden müsse. Außerdem hatte der Bund erst kürzlich versichert, seine Förderzusage über 27,4 Millionen Euro trotz der Verzögerungen durch die Insolvenz von Van Hool aufrechtzuerhalten. Und der für den SVE zuständige Finanzbürgermeister Ingo Rust betonte: „Wir sind dankbar, dass es nicht mehr um die mögliche Alternative Diesel- oder Elektrobusse ging, sondern nur noch darum, wie die Batterien geladen werden.“
„Ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende“
Herbert Schrade (CDU) wog Für und Wider der vier Varianten ab und kam zu dem Schluss, dass sich seit dem umstrittenen Grundsatzbeschluss 2017 „einiges entwickelt“ habe. Der hohe Bundeszuschuss sei ebenso ein Argument wie der kostspielige Aufbau einer Ladeinfrastruktur, sollte die Entscheidung für reine Batteriebusse fallen. Die CDU-Fraktion kündigte an, uneinheitlich abzustimmen. Für Andreas Fritz (Grüne) ist der Umstieg auf Batterieoberleitungsbusse „ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende“. Daniel Scharpf (SPD) befand: „Esslingen fährt mit dem O-Bus besser.“ Weite Teile der nötigen Infrastruktur seien vorhanden, stattliche Zuschüsse seien bewilligt. Michael Weinmann (Freie Wähler), dessen Fraktion ebenfalls uneinheitlich abstimmte, befürchtet, dass sich die Stadt schwertun werde, Anbieter für die neuen Busse zu finden. Zweifel meldete er hinsichtlich der Betriebsdauer solcher Systeme an, was nicht zuletzt eine Frage der nötigen Software sei, die immer schneller überholt sei.
Rena Farquhar (FDP) findet es wichtig, den Linienbusverkehr klimaschonend aufzustellen. E-Bussen werde die Zukunft gehören. Allerdings müsse sich die Stadt fragen, ob Oberleitungsbusse nicht zuletzt wegen ihrer Wirkung im Stadtbild richtig seien. Auch die FDP stimmte uneinheitlich ab. Tobias Hardt (Linke/FÜR) zeigte sich erleichtert, nachdem sich ein Ergebnis für den Batterieoberleitungsbus abzeichnete: „Die Vernunft scheint der Gewinner zu sein.“ Jürgen Häußler (AfD) verwies auf die höhere Leistung und Lebensdauer der Oberleitungsbusse, die nötige Ladeinfrastruktur für reine Batteriebusse bedeute große Investitionen. Und auch für Andreas Klöpfer (WIR/Sportplätze erhalten) war klar, dass die Stadt weiter auf Batterieoberleitungsbusse setzen soll. Am Ende stimmte der Gemeinderat mit 28 zu neun Stimmen für das „Szenario 0“ und damit für eine komplette Umstellung des städtischen Busverkehrs auf Batterieoberleitungsbusse. Vom Publikum gab’s dafür donnernden Beifall.
Vier Varianten standen zur Wahl
Szenario 0: Die Stadt stellt ihren Busverkehr wie beschlossen komplett auf Batterieoberleitungsbusse um. Die Oberleitungsinfrastruktur wird weiter ausgebaut, 62 Batterieoberleitungsbusse werden benötigt. Die Umsetzungszeit beträgt zwei Jahre. Jährliche Kosten für die Stadt: 510 000 Euro.
Szenario 1: Busverkehr zu 100 Prozent mit reinen Batteriebussen, Oberleitungsinfrastruktur wird nicht aus-, eventuell zurückgebaut. Die vorhandenen zehn O-Busse werden verkauft, 62 Batteriebusse werden benötigt. Umsetzungszeit: zehn Jahre. Jährliche Kosten: 900 000 bis rund 2,4 Millionen Euro.
Szenario 2: Busverkehr wird komplett auf Batterieoberleitungsbusse und reine Batteriebusse umgestellt. Die Oberleitungsinfrastruktur wird nur noch Richtung Pliensauvorstadt und Zollberg ausgebaut, nicht jedoch am Altstadtring und im Esslinger Norden. 19 Batterieoberleitungsbusse und 43 Batteriebusse werden benötigt. Umsetzungszeit: zehn Jahre. Kosten für die Stadt Esslingen pro Jahr: 1 bis rund 2,4 Millionen Euro.
Szenario 3: Busverkehr mit maximalem Anteil an Dieselfahrzeugen, nur die nach der Clean Vehicles Directive absolut notwendige Zahl an emissionsfreien Fahrzeugen wird beschafft. Umsetzungszeit zehn Jahre. Kosten für die Stadt pro Jahr: 1 bis 2,4 Millionen Euro. (adi)
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