Hagel, Trockenheit und ein schlechter Fruchtansatz haben im Kreis Esslingen vielen Obstbauern das Geschäft verdorben
Nur noch ein paar vertrocknete Exemplare hängen an den Ästen. „Der Fruchtansatz war schlecht, und dann kam auch noch die große Trockenheit“, das habe dieses Jahr in Esslingen zu einer schlechten Kirschernte geführt, berichtet Matthias Scheider. Beim Gang über die Streuobstwiesen der städtischen Kirschenanlage vor einigen Tagen findet der Abteilungsleiter im Esslinger Grünflächenamt zusammen mit Gärtnermeister Dietmar Schmah schließlich doch noch ein paar der begehrten, roten Früchte. „Das ist eine Knorpelkirsche, die hat den kalten Mai besser überstanden. Würmer sind keine drin“, stellt Matthias Scheider fest. Doch mit lediglich einem Kilogramm Früchte pro Baum ist die Kirschensaison in Esslingen enttäuschend ausgefallen. In guten Jahren könne man bis zu 70 Kilogramm von jedem Baum holen, sagt Schmah, selbst im vergangenen Jahr habe es im Schnitt für fast 60 Kilogramm gereicht.
Von einer durchwachsenen Saison spricht Christine Schmid, die mit ihrer Familie in Owen Kirschbaumwiesen bewirtschaftet. Ein Hagelschlag am 22. Mai und die anschließende Trockenheit habe ihre Ernte geschmälert. Das Lenninger Tal gilt genauso als Kirschenhochburg wie die Gemeinde Neidlingen, die sich mit rund 20 000 Bäumen rühmt, eine der größten Kirschenanbaugemeinden im Land zu sein.
Auf dem Schurwald hat Barbara Groner vom Lobenroter Hof bei den Kirschen „eine so kurze Saison wie noch nie“ erlebt. Drei anstelle von acht bis neun Wochen habe die Ernte lediglich gedauert. Und nach dem kalten Mai seien die unterschiedlichen Sorten in der anschließenden Hitzezeit dieses Mal alle gleichzeitig reif geworden. Barbara Groner ist froh, dass ihre Kirschenanlage im Schutz der Bebauung liegt, dadurch sei es dort schon im Frühjahr wärmer als anderswo, und zusätzlich biete das Foliendach Schutz vor Starkregen, der die Kirschen aufplatzen lasse. Ein paar Tage lang hätten Rabenvögel sich in der Anlage satt gefressen, doch die Bussarde hätten dann aufgeräumt, beschreibt die Obstbäuerin das Gleichgewicht der Natur.
Auf Folie setzt auch Guido Henzler in Raidwangen. Der Techniker für Obstbau schätzt den Temperaturunterschied zwischen Folie und Freiland auf zwei bis drei Grad. Das komme den Kirschen bei der Reife entgegen und reduziere den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Und wenn es den Bienen bei unter zehn Grad zu kalt sei, setze er bis zu zehn Hummelvölker für die Bestäubung ein, da Hummeln bereits bei zwei bis sechs Grad unterwegs seien. Und bei großer Trockenheit bewässert Henzler seine Bäume direkt am Stamm, denn Kirschen haben einen hohen Wasserbedarf.
Zurück nach Esslingen, wo die Kommune am Stöckenbergweg in Kimmichsweiler einen alten Kirschenversuchsgarten unterhält. Als die Versorgungslage der Esslinger im Zweiten Weltkrieg immer schlechter wurde, legte die Stadt 1942 diese Obstbaumwiese an. Die Sorten Esslinger Schecke, Hedelfinger, Schwarze von Lobenrot und Frühe Braune finden sich dort genauso wie Große Prinzessin, Werdersche und Mödinger. Bis zu 40 Kirschensorten sind fein säuberlich auf dem Pflanzplan von 1994 verzeichnet.
Früher war das Obst begehrt, berichtet Dietmar Schmah, und die Leute bezahlten für die Kirschen. Wer heute einen Baum kostenlos abernten möchte, kann sich im Frühjahr bei ihm melden und einen Baum auf dem Areal reservieren.
Neue Kunden stehen Schmah zufolge manchmal reichlich hilflos vor den Bäumen, denn vielen sei nicht klar, wie groß ein Hochstamm ist. Viele würden nur die Buschbäume oder Halbstämme aus den Plantagen kennen, wirft Scheider ein – und entsprechend lange Leitern und die Möglichkeit, diese zu transportieren, hätten heute sowieso immer weniger Interessierte. Bis 2004 galt die Anlage als Lehrbetrieb, erinnert sich Schmah, der als Lehrling noch das Kirschwasser abgefüllt hat, das die Kommune von eigenen Streliskirschen hatte brennen lassen. Immerhin haben die Birnbäume am Rande der Anlage zur Freude der Fachmänner schön angesetzt. Die beiden loben das wertvolle Biotop Streuobstwiese, wo manch morscher Baum Fledermäusen, Vögeln und vielen anderen Tierarten als Rückzugsort diene.
com / Foto: Roberto Bulgrin
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