Sie wurde nie als ein Aushängeschild gesehen, war aber dennoch bedeutend. Nächste Woche nun wird die alte Reichenbacher Schulsporthalle abgerissen, nachdem seit März die neue Halle am Lützelbach in Betrieb ist.
Mit der Eröffnung der neuen Sporthalle am Lützelbach hat ihre Vorgängerin, die 1958 erbaute Schulturnhalle, endgültig ausgedient. Allzu viel Wehmut wird das bei den Sporttreibenden in Reichenbach nicht auslösen, schließlich haben sie jetzt weitaus bessere Trainingsbedingungen. Die alte Halle erfüllt schon lange nicht mehr die heutigen Standards. Trotzdem war sie ein Ort, an dem Weichen fürs Leben gestellt wurden, und das nicht nur in sportlicher Hinsicht. Eine Abrissparty am 23. Mai setzte nun den Schlusspunkt.
In der Schulsporthalle haben neben erfolgreichen Sportkarrieren auch zahlreiche Lernlaufbahnen begonnen, denn hier fanden über viele Jahre hinweg die Einschulungsfeiern statt. Klaus Höger erinnert sich gut an seinen ersten Schultag und auch daran, dass seine Klasse „im Folgejahr bei den nächsten Erstklässlern was aufführen musste“. Ihn hat die Halle wie viele andere Reichenbacher durchs Leben begleitet: Er war als Spieler, Trainer und Vorsitzender des Radsportvereins aktiv. Dieser zog Anfang der 1980er-Jahre in die Schulsporthalle ein, nachdem er wegen des Ausbaus der B 10 die eigene Halle verloren hatte.
Ein Foto von 1960 zeigt die Atmosphäre damaliger Sport-Events: Zu sehen ist eine Szene der Württembergischen Meisterschaft mit den beiden damaligen Weltmeistern Karl und Oskar Buchholz aus Lauterbach. Das Publikum sitzt vor der bis heute unveränderten Backsteinwand direkt am Spielfeldrand und wirkt diszipliniert; die Herren tragen Anzug, weißes Hemd und Krawatte. Heute geht es bei Sportereignissen lebhafter zu, aber die Nähe zum Publikum war etwas, was die Radballer bis zuletzt in dieser Halle sehr geschätzt haben. Unvergessen bleibt der erste Heimspieltag in der Radball-Bundesliga 2019, mit mehr als 300 Zuschauenden.
Undichtes Dach wird zum Dauerthema
Auch verschiedene Abteilungen des Turnvereins waren in der Halle zu Hause, zum Beispiel das Tischtennis, dessen Platten in einem Teil des Foyers verstaut wurden, oder die rhythmische Sportgymnastik. Irgendwann im Lauf der Jahrzehnte war dann zum ersten Mal das Dach undicht, was sich zum Dauerthema entwickelte: „Da wurde einmal im Jahr geflickt“, sagt Klaus Höger. Seine Frau Ise erinnert sich an Winter, in denen die Radballer mit Mütze und Handschuhen trainierten, weil die Heizung ausgefallen war. Es hat nicht viel gefehlt, und die Halle wäre wegen ihrer defekten Heizung schon viel früher stillgelegt worden, erzählen beide – dann fand sich aber irgendwo doch noch ein Ersatzteil, das es eigentlich gar nicht mehr gab.
Ise Höger verbindet als ehemalige Lehrerin und Konrektorin der Brunnenschule auch viele Aktionen wie die „Winterolympiade“ oder Schnuppertage bei den Vereinen mit der Schulsporthalle, die nie einen richtigen Namen bekam. Der Sportunterricht der Lützelbachschule fand sogar überwiegend dort statt.
Cäcilie Metz gehört dagegen zu jenen, die das Gebäude aus einer ganz anderen Perspektive erlebten: Sie war 15 Jahre lang die Hausmeisterin der Schulturnhalle. „Da war von morgens bis abends Sport, anfangs sieben Tage die Woche“, sagt sie. Ihre Familie, die – wie die Hausmeistervorgänger und -nachfolger – in der zugehörigen Wohnung wohnte, war nur durch eine Wand vom Sportbetrieb getrennt und folglich auch akustisch ganz nah dran.
Feierabend hatte die Hausmeisterin ohnehin erst, wenn sie oder ihr Mann hinter den letzten Sportlern abgeschlossen hatten. Man sei oft großzügig gewesen, wenn nach dem Training noch ein Bier in der Kabine getrunken wurde, sagt Metz. Aber manchmal überzogen es die Sportler – dann drehte sie schon mal den Dauerduschern das warme Wasser ab. Und einmal hat sie, nach mehreren Ermahnungen, das Wasser sogar komplett abgedreht und die buchstäblich Eingeseiften trockengelegt. Beschwert habe sich dann aber keiner – später habe man gemeinsam über die Geschichte gelacht. Metz’ Tochter Monja ist praktisch in der Turnhalle aufgewachsen und durfte in den Ferien auch mal mit ihren Freundinnen dort spielen. „Sie hat sich richtig wohlgefühlt, für sie war das ein Paradies“, sagt Cäcilie Metz.
Direkt am Montag soll nun der Bagger für den Abbruch anrollen. Die Fläche, auf der die Halle steht, wird den neuen Außenanlagen zugeschlagen; unter anderem sollen drei Kleinsportfelder entstehen.
Erfolgreiche Sportler: Eine ganze Reihe erfolgreicher Sportler und Sportlerinnen aus Reichenbach haben zumindest zeitweise in der Schulsporthalle und auf dem Sportplatz davor trainiert: unter anderen der spätere Handball-Nationalspieler Werner Fischer, die Leichtathleten Thomas Nitsch, Andreas Zügel und Helmut Fackler oder auch die Tischtennisspielerin Margret Köngeter. (aia)
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