Esslingen

Das junge Esslingen hat die Wahl

Neue Politik für eine alte Stadt: Vom 17. bis zum 23. Oktober wählen die 14- bis 19-Jährigen ihr Parlament – den Jugendgemeinderat.

Eine gewisse Unruhe kann auch der Routinier Oliver Appelt vor dem Auftakt zur Wahl des Esslinger Jugendgemeinderats nicht leugnen. Seit 2000 ist er als Mitarbeiter der Stadtverwaltung auch für die Durchführung dieses Urnengangs zuständig. Und alle zwei Jahre, sagt er, fiebert er dem Termin entgegen. Von Donnerstag, 17. Oktober, bis Mittwoch, 23. Oktober, wird das Nachwuchsparlament der Neckarstadt neu zusammengestellt.
Kommen sie? Oder kommen sie nicht? Im Zweijahresrhythmus spielt Oliver Appelt so eine Art Esslinger Roulette. Für den Infoflyer zur Wahl braucht er die Kurzbiografien aller Kandidatinnen und Kandidaten, die sich um einen der 20 Sitze im Jugendgemeinderat bewerben. Und diese Steckbriefe trudeln manches Mal verspätet oder gar nicht ein. Was Oliver Appelt sehr bedauert. Denn seiner Meinung nach sollten sich alle Kandidaten in dem Wahlflyer wiederfinden.
In diesem Jahr – und auf diese Zahl ist Oliver Appelt sichtlich stolz – treten 52 Bewerberinnen und Bewerber an. Ein absoluter Höchststand. Denn seit er in den Diensten der Esslinger Stadtverwaltung steht, hatte die Rekordmarke bei 42 jungen Erwachsenen gelegen. Diese Marge wurde in diesem Jahr getoppt. Auch, so meint Oliver Appelt, weil das bisherige Jungparlament um die Vorsitzende Lotta Raven einen so guten Job gemacht hat und in der jungen Esslinger Öffentlichkeit sehr präsent gewesen ist. Am Jugendgemeinderat allein liege das aber nicht: Lotta Raven spielt den Ball bescheiden zurück. Bei ihrer kommunalpolitischen Arbeit, sagt die junge Frau, haben sie und ihr Team jede nur mögliche Unterstützung vonseiten der Stadtverwaltung und des „großen Gemeinderats“ erhalten. Der junge Rat habe jedes Thema anpacken können und dürfen, das er für wichtig erachtet habe. „Lasst da lieber die Finger davon“, einen solchen Satz hätten sie nie zu hören bekommen.

Obolus für die Damen wurde abgeschafft
So konnten die Nachwuchspolitiker einiges erreichen. Den oft genannten Evergreen ihrer Bemühungen führt auch Lotta Raven gleich als Erstes an. Nach einer Initiative des Jugendgemeinderats sei eine Ungerechtigkeit bei der Nutzung der Toiletten am Bahnhofsvorplatz in Esslingen aufgehoben worden. Zuvor hätten die Damen einen Obolus für die Sanitäranlagen entrichten müssen, während der Toilettengang für die Männer kostenfrei war. Die Bezahlung durch die Frauen wurde abgeschafft.
Aber auf der „Geschafft“-Seite verbucht der Jugendgemeinderat laut seiner Vorsitzenden auch eine Programmergänzung der Konzerte auf der Burg. Nichts gegen Dieter Thomas Kuhn oder Uriah Heep, ergänzt Oliver Appelt. Aber für ein junges Publikum müssten andere Headliner gefunden werden. Darum haben sich die Kulturschaffenden der Neckarstadt bereit erklärt, die Veranstaltungsreihe künftig um einen Tag mit einem jugendlicheren Programm zu ergänzen.
Der Jugendgemeinderat, erklärt Lotta Raven, habe eine Liste mit möglichen Interpreten an das Konzertbüro weitergegeben. Jeremias, Zartmann, Berge oder Paula Hartmann stehen darauf. Im Idealfall könnte schon im nächsten Jahr einer von ihnen die Burg jugendlicher rocken. Bei dem Verweis auf mögliche hohe Honorarkosten betont Lotta Raven, dass auch Dieter Thomas Kuhn oder andere Künstler sicher nicht für einen Apfel und ein Ei zu haben seien.
Als einen Erfolg der auslaufenden Mandatsperiode wertet Lotta Raven auch, dass in der US-amerikanischen Partnerstadt Sheboygan im Bundesstaat Wisconsin ein Jugendparlament im Stile des Esslinger Vorbildes installiert wurde. Im Frühsommer dieses Jahres sei das Nachwuchsparlament an den Start gegangen. In Zoom-Meetings habe sie sich mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Partnerstadt über die Modalitäten ausgetauscht. Ausgetauscht hat sich der Esslinger Jugendgemeinderat aber auch mit Altersgenossen vor Ort bei einer Umfrage zur Situation am Bahnhofsvorplatz. Auch unter jungen Menschen, so das Ergebnis, wird der Platz als Brennpunkt empfunden, und viele fühlen sich dort unwohl.
Sehr wohl aber fühlt sich Oliver Appelt mit der großen Anzahl an Bewerbern für den neuen Jugendgemeinderat. Sieben Vertreter aus der bisherigen Riege, sagt er, hätten sich erneut aufstellen lassen. Auch Lotta Raven steht wieder zur Verfügung. Welche Themen der neue Jugendgemeinderat anpacken werde, sei Gegenstand des Einführungswochenendes im November. Es mache keinen Sinn, so die Vorsitzende, jetzt Handlungsfelder festzulegen. Vorschläge müssten aus der Mitte des neu besetzten Gremiums kommen.
Dass 32 der 52 Kandidatinnen und Kandidaten bei der Anzahl von 20 zu vergebenden Plätzen nicht zum Zuge kommen werden, so sagen beide, liege in der Natur einer Wahl und sei Teil der Demokratie. Sie hätten jedenfalls viel Respekt vor dem Mut und der Courage der jungen Erwachsenen. Nicht nur bei Routinier Oliver Appelt, sondern auch bei den Bewerbern wird also das Adrenalin steigen, wenn am 24. Oktober das Wahlergebnis verkündet wird.

Die Wahl des Jugendgemeinderats in Esslingen
Ablauf:
Der neue Jugendgemeinderat in Esslingen wird seit 17. und noch bis zum 23. Oktober an allen weiterführenden Schulen gewählt. Wahlberechtigt sind alle 14- bis 19-Jährigen, die seit drei Monaten ihren Hauptwohnsitz in Esslingen haben. Wählen dürfen etwa 5500 junge Erwachsene. Die Wahlbeteiligung lag in den Jahren zuvor bei etwa 30 Prozent.
Wahlmodus: Bisher hatte die Jugendgemeinderatswahl drei Werktage gedauert – nun wurde die Frist laut Oliver Appelt auf fünf Tage verlängert. Der Wahltermin eine Woche vor den Herbstferien habe auch Nachteile. Schüler würden sich auf Exkursionen, in Schullandheimen oder im Berufspraktikum befinden und hätten daher in den Vorjahren nicht wählen können.
Ergebnis: Das Ergebnis der Esslinger Jugendgemeinderatswahl wird laut Oliver Appelt am Donnerstag, 24. Oktober, 17 Uhr, in der Schickhardt-Halle im Alten Rathaus präsentiert. Während eines Wochenendes im November werden die Neugewählten in ihre Arbeit eingeführt und Themenschwerpunkte für die kommende Mandatsperiode festgelegt. (sw)

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